Durch den Monat mit Gülsha Adilji (Teil 5): Wem würden Sie gerne die Fresse polieren?

Nr. 44 –

Warum Joiz-Moderatorin Gülsha Adilji gerne mal einen Wodka-Shot mit einem Mitglied der Jungen SVP trinken würde, was ihr peinlich ist und warum aus Fehlern Kunst entsteht.

Gülsha Adilji: «Verprügeln würde ich niemanden. Aber es gibt einen Haufen Menschen, mit denen ich mich gerne mal an ­einen Tisch setzen würde.»

WOZ: Frau Adilji, vor der Kamera müssen Sie auf Knopfdruck lustig sein. Was inspiriert Sie zu Ihren Witzen?
Gülsha Adilji: Ich habe keine Inspirationsquelle im eigentlichen Sinn. In meiner Sendung «Noiz» verarbeite ich einfach alles Erlebte. Entsprechend bin ich auch nicht immer witzig, habe auch mal schlechte Laune oder bin völlig überdreht. Was vor der Kamera passiert, ist abhängig von meiner jeweiligen Tagesform.

Wie würden Sie Ihren Humor beschreiben?
Mein Humor ist sehr ironisch und sarkastisch. Humor bedeutet für mich, Menschen auf eine Fährte zu locken und eine bestimmte Erwartungshaltung aufzubauen, die dann nicht erfüllt wird. Überspitzt gesagt verarsche ich die Leute.

Können Sie das genauer erklären?
Ich frage zum Beispiel: «Warum sind Blondinenwitze so kurz?» Jetzt kommt ein Blondinenwitz, denkt mein Gegenüber dann. Und ich antworte stattdessen: «Damit Männer sie auch verstehen.» Humor bedeutet für mich in erster Linie, gängige Klischees zu überzeichnen und in der Gesellschaft bestehende Rollenbilder ad absurdum zu führen.

Haben Sie keine Angst, dass Ihr Gegenüber über Ihre Witze nicht lachen kann?
Nein. Ironie ist ja eine Kunstform. Es geht nicht darum, den eigenen Humor an die Zuschauer anzupassen. Wenn jemand über meine Witze nicht lachen kann, ist mir das egal. Zudem hängt Humor ja immer von gesellschaftlichen Normen ab. Das heisst nicht, dass ich mich von Anfang an zurückhalte. Ich passe mich meinem Gesprächspartner aber erst an, wenn ich merke, dass meine Witze nicht ankommen oder falsch verstanden werden. Wenn ich zum Beispiel mit Freunden unterwegs bin und jemanden kennenlerne, verhalte ich mich erst einmal wie immer, haue wie gewohnt meine Sprüche raus. Manchmal müssen meine Freunde mich zur Seite nehmen und sagen: «Gülsha, der versteht deine Witze nicht.» Dann versuche ich, mich zu bremsen und meine Wortwahl anzupassen.

Wann ist Ihnen etwas peinlich?
Fast nie. Es gibt natürlich intime Dinge, die mir peinlich wären, würden sie an die Öffentlichkeit gelangen. Grundsätzlich versuche ich aber, alles nicht so ernst zu nehmen. Schliesslich kann alles Peinliche, was mir passiert, auch anderen passieren. Hat man diesen Grundsatz einmal verinnerlicht, lässt es sich viel entspannter leben.

Ist Ihnen vor der Kamera schon mal etwas Peinliches passiert?
Manchmal habe ich in einer Sendung etwas Falsches gesagt oder eine falsche Zahl genannt. Wenn ich darüber nachdenke, werde ich innerlich kurz rot. Dann denke ich mir aber: «Egal, hat ja sowieso niemand die Sendung geschaut» (lacht). Wenn etwas richtig Peinliches passiert, könnte ich die Sendung sowieso noch einmal drehen. Das ist mir aber noch nie passiert, glaube ich. Vielleicht kann ich peinliche Situationen aber auch einfach gut verdrängen.

Wann ist für Sie die Grenze des Anstands überschritten?
In dieser Hinsicht hat sich meine Wahrnehmung in den letzten Jahren verschoben. Früher habe ich es zum Beispiel gehasst, wenn jemand in meiner Gegenwart gerülpst hat. Inzwischen habe ich gemerkt, dass mein Verständnis von Anstand wenig mit dem Gegenüber und mehr mit mir selbst zu tun hat. Deshalb passe ich meine Vorstellung von Anstand an die äusseren Umstände an. Anstand ist sowieso ziemlich relativ und flexibel. Deshalb rege ich mich inzwischen nicht mehr über das Verhalten anderer auf.

Und wenn Sie doch etwas aufregt: Würden Sie jemandem gerne mal die Fresse polieren?
Ich bin Pazifistin, verprügeln würde ich deshalb niemanden. Aber es gibt einen Haufen Menschen, mit denen ich mich gerne mal an einen Tisch setzen würde.

Zum Beispiel?
SVP-Nationalrat und «Weltwoche»-Herausgeber Roger Köppel wäre ein möglicher Kandidat. Auch andere Mitglieder der SVP kommen infrage – vor allem die der Jungen SVP. Weil sie jung sind, schockieren mich ihre Positionen besonders. Wenn irgendwelche alten Herren mit einer konservativen Einstellung durchs Leben gehen, kann ich das noch nachvollziehen. Aber bei jungen Menschen verstehe ich diese Haltung einfach nicht. Mit denen würde ich gerne mal einen Wodka-Shot trinken und versuchen, ihnen meine Weltsicht näherzubringen.

In einem Interview sagten Sie, durch Fehler entstünde Kunst. Lässt sich diese Aussage als eine Art politisches Plädoyer für eine Gesellschaft verstehen, die Fehler zulässt?
Unbedingt! Evolution ist ja zum Beispiel nichts anderes als Versuchen und Scheitern – nur so kann daraus etwas Geniales entstehen. Die Gesellschaft bläut uns hingegen schon von Kindesbeinen an ein, dass Fehler machen schlecht ist. Kinder lernen bereits in der Schule, dass falsche Antworten schlechte Noten – und somit Ärger zu Hause – bedeuten. Dabei sind Fehler eigentlich etwas Gutes: So kann man sich ausprobieren, so entstehen interessante Dinge. Unsere Gesellschaft, in der es einzig um Richtig oder Falsch geht, macht das Wichtigste in den Menschen kaputt: die Kreativität.

Gülsha Adilji hat nach ihrem Auftritt im 
«Club» so viel Lob bekommen, dass es ihr 
schon peinlich ist.