Medientagebuch zu neokolonialistischen Tendenzen in französischen Medien: Im Hafen von Abidjan

Nr. 44 –

Bernard Schmid über den Neokolonialismus französischer Medien

Mit einer lächerlichen Kopfbedeckung, die einer traditionellen bretonischen Frauentracht nachempfunden ist, sitzt der Moderator vor der Kamera und verkündet, dass er nun beim obersten Boss «die Nerven testen» wolle. Der Boss ist, auch wenn er nicht beim Namen genannt wird, der Multimilliardär Vincent Bolloré. Die Sendung vom vergangenen Samstag (24. Oktober), die diese Passage enthält, zählt zur satirischen Serie «Groland» auf dem von Bolloré übernommenen TV-Sender Canal+.

Darauf gibt der Moderator das Wort aus dem Studio an seinen Kollegen draussen ab. Demonstrativ in die Kamera schwitzend, erklärt dieser, er befinde sich «im Hafen von Abidjan». Dabei sieht ein Blinder, dass er sich in den Strassen von Paris aufhält. Jetzt kündigt er an, er werde sich «einer explosiven Untersuchung» zuwenden. Diese führt ihn jedoch bloss in eine bretonische Crêpes-Küche, wo er sich nach dem Rezept für eine regionale Spezialität (Kouign-amann) erkundigt.

Haha. So viel Spiel mit seinen Nerven dürfte auch der neue Medienmogul Bolloré noch durchgehen lassen. In «Groland» blieb es am vergangenen Wochenende bei Anspielungen auf Themen, die als explosiv gelten mögen; inhaltlich gefährlich wurde es nicht.

Eine Berichterstattung über seine «afrikanischen Aktivitäten» findet der Grossunternehmer Bolloré nämlich weder unterhaltsam noch für die Öffentlichkeit geeignet. Ende Oktober läuft auf seinem Canal+ eine neue französische Thrillerserie an, «Panthers», die allem Anschein nach ein Erfolg wird. Sie spielt zwischen Paris, London und Belgrad. Für die bereits geplante Fortsetzung der Serie sollte es auch nach Westafrika gehen, im Kontext wirtschaftlicher Interessen und krimineller Aktivitäten. Dagegen legte der Big Boss ein Veto ein: Ökonomische Hintergründe zum französischen Kapitalismus in Afrika dürfen nicht thematisiert werden.

Bolloré hat afrikanische Geschäftsbeziehungen, doch solche sind im französischen Mediensektor nicht allein bei ihm anzutreffen. Am 9. Oktober protestierten in Paris Oppositionelle aus dem Erdölstaat Gabun gegen die Tageszeitung «Libération» und riefen zu ihrem Boykott auf. Der Direktor des Blattes, Laurent Joffrin, eröffnete am selben Tag ein zweitägiges «Bürgerforum» in Gabuns Hauptstadt Libreville. Der Staat wird seit 1967 von derselben Familie regiert: 42 Jahre lang war der Autokrat Omar Bongo an der Macht, seit seinem Ableben 2009 regiert sein Sohn Ali Bongo – und Frankreich hält dort mächtige Interessen im Rohstoffbereich. Auf dem «Libération»-Bürgerforum wurde zum Beispiel die Jugend Gabuns durch einen «Jugenddelegierten» der Regierungspartei vertreten, die noch vor wenigen Wochen auf protestierende StudentInnen hatte schiessen lassen.

Hintergrund solcher Aktivitäten der einst linken «Libé» dürfte sein, dass der Medien- und Telekommunikations-Tycoon Patrick Drahi vor etwa zwei Jahren die Mehrheit an der kriselnden Zeitung kaufte und dass er sich seither mit weiteren rauschhaften Unternehmenskäufen besonders in den USA übernommen hat. Er braucht jetzt dringend Geld, und in Gabun, wo sich etwa das Gesundheits- und das Bildungssystem in einem katastrophalen Zustand befinden, sitzt der Diktator trotz Rückgang der Erdöleinnahmen auf gefüllten Kassen.

Übrigens: Auch die Konkurrenz von «Le Monde» organisierte kürzlich ein Meeting in Afrika – ein «Wirtschaftsforum» in der ivorischen Metropole Abidjan.

Bernard Schmid schreibt für die 
WOZ aus Paris.