Venezuela/USA: Videobotschaft eines Überläufers

Nr. 44 –

Die seit Jahren verkorkste Beziehung zwischen Venezuela und den USA ist über das vergangene Wochenende um eine Episode reicher geworden. Franklin Nieves, einer der Staatsanwälte im Prozess gegen Leopoldo López, den rechten Heisssporn unter den venezolanischen OppositionsführerInnen, hat sich mutmasslich in die USA abgesetzt. In einer Videobotschaft auf dem Nachrichtenportal «La Patilla» begründet er seine Flucht mit Drohungen vonseiten seiner Vorgesetzten und der Regierung: Er sei gezwungen worden, López mit gefälschten Beweisen ins Gefängnis zu bringen. Der Oppositionelle war am 10. September zu fast vierzehn Jahren Haft verurteilt worden. Er soll Anfang vergangenen Jahres zu regierungsfeindlichen Krawallen angestiftet haben. Damals sind 43 Menschen getötet und Hunderte verletzt worden.

López, der nie offen zu Gewalt aufgerufen hatte, war aufgrund sprachlicher Gutachten seiner Reden verurteilt worden. Was dabei gefälscht worden sein soll, sagt der sichtlich nervöse Staatsanwalt im vierminütigen Video nicht. Oberstaatsanwältin Luisa Ortega Díaz wies seine Vorwürfe zurück und mutmasste, die USA und die Opposition steckten hinter der Flucht.

Das Urteil gegen López war zweifellos drakonisch und wird juristisch in einer demnächst beginnenden Berufungsverhandlung angefochten. Sicher ist aber auch, dass die USA über die Fluchtpläne von Nieves vorab informiert waren: VenezolanerInnen brauchen für die Einreise ein Visum. Der Staatsanwalt soll über die Karibikinsel Aruba in die Vereinigten Staaten gelangt sein. Dass er dort ist, hat er der «New York Times» per SMS bestätigt. Öffentlich aufgetreten ist er aber noch nicht. Das ist nicht ungewöhnlich. Gemeinhin werden ÜberläuferInnen in den USA zunächst von den Geheimdiensten ausgequetscht. Die in der Videobotschaft vorgetragenen Vorwürfe nützen jedenfalls den US-Interessen und der von Washington unterstützten Opposition: Der linke Präsident Nicolás Maduro soll vor der Parlamentswahl Ende des Jahres desavouiert werden.