Durch den Monat mit Angeline Fankhauser (Teil 3): Was halten Sie von der aktiven Sterbehilfe?

Nr. 47 –

Den Tag ihrer Pensionierung erlebte Altnationalrätin Angeline Fankhauser als Befreiung. Heute sammelt sie auch mal Unterschriften mit einem SVP-Vertreter und kämpft für die Selbstbestimmung ihrer Generation.

«Allein schon die Wortwahl: ‹Überalterung›, ‹un­solidarische Alte›. Diese Monetarisierung des Lebens spüre ich immer stärker», sagt Altnationalrätin Angeline Fankhauser.

WOZ: Frau Fankhauser, mit 62 Jahren gingen Sie in Pension. Wie haben Sie diesen Tag erlebt?
Angeline Fankhauser: Die Pensionierung war für mich eine Befreiung. Ich musste nichts mehr, kann seither frei über meine Zeit verfügen. Das Pensionsalter ist für die meisten Menschen die einzige Phase im Leben mit einer Einkommensgarantie. Dieses Einkommen ist zwar relativ tief, aber immerhin. Das Existenzminimum ist mit der AHV und Ergänzungsleistungen gesichert.

Fiel Ihnen der Rückzug aus dem Berufsleben schwer?
Nein, ich habe nichts vermisst. Ich hatte eine Zeit lang noch ein paar Aufgaben, «zum Abgewöhnen». Die gab ich der Reihe nach ab. Die freie Zeit füllte ich damit auf, alles etwas langsamer zu machen, einen grossen Garten anzulegen, für die Verwandtschaft zu kochen. Noch heute freue ich mich über eine Woche ohne Verpflichtungen.

Sie waren Ihr Leben lang unabhängig und freiheitsliebend. Fürchten Sie sich davor, eines Tages Ihre Unabhängigkeit zu verlieren?
Angst habe ich keine, aber ich freue mich nicht darauf. Meine Mobilität ist mir das Wichtigste. Vor drei Jahren hatte ich eine Knieoperation und musste danach drei Wochen an Krücken gehen. Da erhielt ich einen Vorgeschmack darauf, wie es sein könnte, nicht mehr mobil zu sein. Das gefiel mir gar nicht. Aber ich versuche, daran zu denken, was ich noch kann. Wenn ich nicht mehr laufen könnte, könnte ich immer noch selbstständig denken. Und wenn ich nicht mehr denken kann, werde ich es kaum merken.

Was ist das Wichtigste für ein würdevolles Altern?
Das Wichtigste? Die Selbstbestimmung zu pflegen, und zwar von beiden Seiten. Die alten Leute müssen daran denken, dass sie immer noch Menschen sind mit allen Rechten und Pflichten. Und das Umfeld sollte nicht vergessen, dass man über uns nicht einfach bestimmen kann. Wir von den Altersorganisationen raten den Leuten immer: Schreibt eure Vorsorgeverfügung, eure Patientenverfügung, wählt euch eine Vertrauensperson aus, schreibt nieder und bestimmt, was ihr wie haben wollt für diesen oder jenen Fall. Denn plötzlich ist man alt, und es wird über einen verfügt.

Was halten Sie von der aktiven Sterbehilfe?
Sie gehört zur Selbstbestimmung. Ich finde es erstaunlich, wie viele Menschen in dieser wohlhabenden, medizinisch hoch entwickelten Schweiz Mitglied bei einer Sterbehilfeorganisation sind. Es ist, als fehlte ihnen die Gelassenheit, das Alter hinzunehmen. Ich respektiere diese Möglichkeit, aber ich hätte sie nicht selber erfunden.

Warum nicht, wenn sie die Menschen bei einem selbstbestimmten Leben unterstützt?
Ich befürchte, der Druck auf die älteren Leute nimmt dadurch zu. Den Alten vermittelt man zunehmend das Gefühl, sie lebten zu lange, seien eine Last für die Gesellschaft. Allein schon die Wortwahl: «Überalterung», «unsolidarische Alte». Diese Monetarisierung des Lebens spüre ich immer stärker. Das muss unbedingt korrigiert werden. Das spüren wir älteren Menschen auch seitens der Krankenkassen. Natürlich kann man sich bemühen, gesund zu leben, aber steuern kann man die eigene Gesundheit nicht. Dass die Krankenkassen darüber nachdenken, die Gesunden auch noch zu belohnen, finde ich total daneben. Hinter den Krankenkassen steckt schliesslich eine solidarische Idee.

Woran spüren Sie das Älterwerden?
Freundinnen und Kameraden sterben weg oder sind plötzlich im Pflegeheim. Es gibt ja den Spruch: «Plötzlich ist man öfter auf Beerdigungen als auf Hochzeiten», das stimmt schon. Und immer öfter gehört man zu der «Noch»-Generation: Sie kann «noch» laufen, sie kann «noch» reden. Ich mache nichts mehr, das mir keine Freude bereitet. Die Restjahre werden ja immer weniger! Da ist es wichtig, die zu geniessen. Wie beim Essen: nichts mehr essen, was einem nicht schmeckt.

Fürchten Sie sich vor dem Tod?
Nein. Natürlich, wenn es mal so weit ist, sehe ich das vielleicht anders. Aber ich habe meine Mutter sterben sehen. Man muss wirklich keine Angst davor haben. Sterben gehört dazu. Am meisten kümmern mich meine Angehörigen und ob ihnen die Trennung schwerfallen wird. Ich hoffe, dass ich noch ein paar Jahre habe. Aber das weiss man nie.

Interessieren Sie sich immer noch für Politik?
Eigentlich habe ich meine Arbeit getan, jetzt sollen mal die anderen. Aber ich engagiere mich bei den Grauen Panthern und bei der Vereinigung aktiver Senioren- und Selbsthilfe-Organisationen. Zurzeit sammle ich Unterschriften gegen die Umwandlung unseres Kantonsspitals in eine Tagesklinik. Das mache ich zusammen mit einem SVP-Menschen. Der meinte gegenüber Tele Basel, sachlich könnten er und ich gut zusammenspannen. Für mich ist das kein Problem. Und für das Projekt ist diese Allianz zwischen SP und SVP sogar eine Chance.
Und ich versuche immer, die älteren Leute zu motivieren, sich zu wehren. Mut machen, das kann ich gut. Mut, nicht alles zu akzeptieren, wie es ist.

Weil sie befürchtete, ihre Freiheit zu verlieren, verbrachte Angeline Fankhauser (79) schlaflose Nächte, bevor sie gemeinsam mit ihrer Tochter ein Haus kaufte. Mittlerweile freut sich die Alt-SP-Nationalrätin auf das Leben unter einem Dach mit ihren EnkelInnen.