Klimakonferenz: Fatale Signale aus Paris

Nr. 49 –

Es gibt viele Gründe, weshalb es in der Umweltpolitik harzt. Einer davon: Der Klimawandel hat nicht die politische Nützlichkeit des Terrorismus.

Joël Domenjoud darf sein Viertel seit dem Wochenende nicht mehr verlassen und muss sich dreimal täglich bei der Polizei melden. Verfügt hat dies das französische Innenministerium – ohne Angabe von Gründen und ohne die Zustimmung eines Richters. Das Recht dazu hat die Behörde wegen des Notstands, den die Nationalversammlung nach den Anschlägen vom 13. November verfügte.

Sind Domenjoud und die weiteren 24 französischen BürgerInnen, die ebenfalls unter Hausarrest stehen, TerroristInnen? Nein, es sind UmweltaktivistInnen. Der Jurist Domenjoud hat vor dem Beginn der Uno-Klimakonferenz gegen das Demonstrationsverbot in Paris rekurriert. Die Hausarreste gelten bis Konferenzende. «Gewiss herrscht Notstand», sagte die Sprecherin einer der Organisationen, die hinter dem abgesagten Klimamarsch standen, am Sonntag: «Aber der wirkliche Notstand erwächst aus dem Klimawandel.»

Ziel in jedem Fall weit verfehlt

Ganz anders klang es auch am Gipfelauftakt tags darauf nicht, als rund 150 Staats- und RegierungschefInnen ihre Dreiminutenstatements abgaben. «Nichts wird das 21. Jahrhundert so prägen wie der Klimawandel», sagte Barack Obama; Wladimir Putin nannte den Klimawandel «eine der grössten Herausforderungen der Menschheit». Paris sei eine «historische Chance», sagte Bundespräsidentin Simonetta Sommaruga, die mit mageren Zusagen nach Paris gereist ist (mehr zur Schweizer Position im Klimablog der WOZ). Angesichts der mit 45 000 TeilnehmerInnen wohl grössten diplomatischen Veranstaltung aller Zeiten kann man nicht sagen, die Politik schenke dem Klimawandel keine Aufmerksamkeit.

Selbst wenn umgesetzt wird, was die Regierungen vor Konferenzbeginn versprochen haben, wird das deklarierte Ziel, die globale Erwärmung auf maximal zwei Grad zu begrenzen, weit verfehlt. Und die Delegation der USA wird dafür sorgen, dass der Vertrag von Paris nicht rechtlich bindend sein wird. Denn ein verbindliches Papier würde der Kongress niemals ratifizieren. Bestenfalls könnten Obama und seine potenzielle Nachfolgerin ein nicht bindendes Abkommen auf dem Verordnungsweg umsetzen.

Es gibt viele Gründe, weshalb es in der Klimapolitik harzt. Einer erhellt sich vielleicht gerade aus dem Vergleich mit dem «Krieg gegen den Terror»: Der Klimawandel hat nicht die politische Nützlichkeit des Terrorismus. Letzterer lässt sich wunderbar als Gut-Böse-Geschichte erzählen. Dem Bösen den Krieg zu erklären, kommt der schwachen linken Regierung Frankreichs, die von einer starken rechten Opposition bedrängt wird, immer gelegen (und linke KritikerInnen kann man unter Hausarrest setzen). Putin gewinnt in der Koalition gegen den Terror seine Salonfähigkeit zurück. Die republikanischen Präsidentschaftsanwärter in den USA setzen sich von einem Präsidenten ab, der vor dem Wetter mehr Angst habe als vor Bomben.

Man könnte auch den Klimawandel als Gut-Böse-Story erzählen, man müsste dabei nicht mehr vereinfachen als bei der Terrorerzählung. Aber die Bösen sässen nicht irgendwo in der Wüste, wo man Bomben auf sie werfen kann, sondern mitten in den Machtzirkeln. Ja sogar im Konferenzzentrum bei Paris – als Sponsoren der Klimakonferenz wie etwa der französische Gaskonzern Engie (vormals GDF Suez) oder der Autohersteller Renault-Nissan. Man könnte in dieser Gut-Böse-Geschichte auch auf die Studie verweisen, die die entwicklungspolitische Organisation Oxfamin Paris vorgestellt hat. Sie zeigt, dass zehn Prozent der Weltbevölkerung so viele Treibhausgasemissionen ausstossen wie der ganze Rest.

Die Erzählung vom Fortschritt

Es gibt eine grosse Erzählung auch in der Klimapolitik, die in Paris am ersten Konferenztag ihren grossen Auftritt hatte, doch sie folgt einer anderen Dramaturgie: Es ist die Erzählung vom Fortschritt, der uns rettet. Unterstützt von anderen Stars der Unternehmenswelt wie Facebook-Chef Mark Zuckerberg oder Milliardär Richard Branson und von den Regierungen der USA und Indiens, kündigte Bill Gates eine grosse Investitionsoffensive für die Energieforschung an. Manch ein Freund der erneuerbaren Energie übersah beim Jubeln, wie Gates bei seiner Ankündigung die bereits existierenden, dezentralen Energietechniken als «herzig» verspottete. Für Gates sind für grosse Probleme nur grosse Lösungen gut.

Vergessen geht dabei, dass der Klimawandel kein in erster Linie technisches Problem ist: Technisch wüsste man schon lange, wie es besser ginge. Er ist ein Problem der Verteilung; ein Problem der Macht und mithin der Demokratie. Diesbezüglich hat Paris bisher fatale Signale gesendet.

Der Blog zur Pariser Klimakonferenz: www.woz.ch/blog/klimablog.