Im Affekt: Voodoo mit Keulen

Nr. 12 –

Die Nazikeule haben alle rasch zur Hand. «Mittel der Diffamierung, die man von den Nazis kennt», diktierte der frisch gebackene Kulturkritiker Andreas Thiel der «SonntagsZeitung» in den Notizblock. Im Visier hatte er eine Aktion von Gastprovokateur Philipp Ruch am Zürcher Theater Neumarkt. Der Mann vom Zentrum für politische Schönheit wollte dem SVP-Nationalrat, «Weltwoche»-Chefredaktor und -Verleger Roger Köppel den bösen Geist von Nazipropagandist Julius Streicher austreiben. Das Publikum konnte Köppel online verfluchen, für Freitagabend war ein Liveexorzismus angesagt, inklusive Gang nach Küsnacht, Köppels Wohnort.

Aber auch ohne Nazivergleiche hatten viele Schaum vor dem Mund, als seien sie selber von einem bösen Geist besessen: «dümmlich», «pervers», «lächerlich», «pennälerhaft», «geschmacklos», «rote Linie überschritten», «menschenverachtend», «schlecht», «Hetzkampagne», «der absolute Nullpunkt der Kunst», «despektierlich», «performativer Pups» und «peinlichster Rohrkrepierer der jüngeren Zürcher Theatergeschichte». So wurde die Aktion gescholten – von Kritikerinnen, Verwaltungs- und Gemeinderäten und der Zürcher Stadtpräsidentin.

Wer gehofft hatte, die freitägliche Performance habe das Ausmass der geballten Ablehnung verdient, wurde enttäuscht. Peinlicher als das Gerede auf der Bühne und der abverreckte Exorzismus am Stadtrand, wo gemäss Spontandefinition der Neumarkt-Leitung die Privatsphäre von Köppel anfing, war nur noch die Theaterdirektion selber, die sich nun von Ruchs Fluchaktion distanzierte. Deprimierend auch das Nachspiel: Die SVP will dem Theater die Subventionen kürzen, und der «Tages-Anzeiger», der den Saubannerzug der Empörung über Ruchs «Entköppelung» mit knapp zwanzig (!) Aufregerartikeln angeführt hatte, kam am Montag überraschend zum Schluss: «Ruchs Aktion war eine von Tausenden Theateraufführungen, die jedes Jahr in Zürich gezeigt werden.»

Eine platte Provokation wird mit übertriebener Empörung aufgeblasen, und es profitiert die SVP. Blöder hätte es nicht laufen können.

«Wir haben nichts anderes getan, als die Methoden der ‹Weltwoche› in die Kunst zu tragen», sagte Philipp Ruch am Montagabend bei «Schawinski» auf SRF.