Initiative «Grüne Wirtschaft»: Passivhaus statt Pistenfahrzeug

Nr. 36 –

Eineinhalb Grad, allerhöchstens zwei: So stark darf sich das Weltklima erwärmen, sonst wird es katastrophal. Auf dieses Ziel haben sich 195 Länder an der letztjährigen Klimakonferenz in Paris geeinigt – auch die Schweiz. Zwei Grad, das heisst: Die Menschheit darf spätestens 2050 keinerlei fossile Energieträger mehr verbrennen. Die Grünen haben ein Instrument entwickelt, mit dem die Schweiz ihre Pflicht erfüllen könnte: die Initiative «Grüne Wirtschaft», die eine ressourceneffiziente Kreislaufwirtschaft in der Verfassung verankern will. Am 25. September wird abgestimmt. Und was macht der Bundesrat? Er kämpft dagegen.

Dazu hat er aufgelistet, was nötig wäre, um die Initiative umzusetzen: «Der Ausstieg aus fossilen Treibstoffen und Heizöl wäre zu beschleunigen.» Ernährung und Landwirtschaft müssten noch ökologischer werden. Der Handel mit umweltschädlichen Produkten wie Torf, Soja oder Palmöl ohne Umweltstandards wäre eventuell ganz zu verbieten. Steuern müssten Anreize für ressourcenschonendes Verhalten schaffen, und «die Hebelwirkung der nachhaltigen öffentlichen Beschaffung müsste stärker genutzt werden». Das klingt wie ein guter Plan – doch so meint es der Bundesrat nicht. Er will damit zeigen, wie unrealistisch das Vorhaben sei.

Die Abstimmungskampagne der Grünen mit ihren kitschigen Babybildern ist nicht besonders gelungen. Auch die Beteuerung, die Umsetzung der Initiative sei kinderleicht und werde am Schweizer Alltag praktisch nichts ändern, irritiert. Denn sie würde ziemlich viel ändern.

Die Initiative hat einen ökologischen Fussabdruck von einer Erde zum Ziel. Das heisst: Wir verhalten uns so, dass die Ressourcen für die ganze Menschheit reichen, wenn sich alle so verhalten. Wer das ernst nimmt, muss die Konsequenzen benennen: ein Leben ohne Flüge, ohne Privatauto, ohne Billigfleisch und mit viel weniger Wohnfläche. Das kann durchaus ein gutes Leben sein. Auch dank eines Nebeneffekts, den die Grünen nicht erwähnen: Wenn Energie teurer wird, hemmt das die Verlagerung von menschlicher Arbeit zu Maschinenarbeit. Das kommt den Arbeiten zugute, die Maschinen nicht machen können – Pflege, Erziehung, Betreuung.

Fast scheint es, als nähmen die GegnerInnen die Initiative ernster als die InitiantInnen. Das zeigt sich am Dilemma, in dem bürgerlich-bäuerliche Organisationen stecken: Der Bauernverband lehnt die Vorlage ab, beteiligt sich aber bewusst nicht am Abstimmungskampf. Um das Anliegen der Initiative zu erfüllen, wäre ein Umbau der Wirtschaft nötig: hin zu einer klugen Kombination von Hightech und regionalen Kreisläufen. Das böte grosse Chancen für Land- und Forstwirtschaft und ihre Verarbeitungsbetriebe, also für den ländlichen Raum und das Berggebiet – vom Bau von ausgeklügelten Passivhäusern, die mehr Energie produzieren, als sie brauchen, bis zur Haltung von Rindern, die ihr Futter an steilen Hängen selber suchen. Das weiss auch der Bauernverband. Doch er hat Angst vor den Konsequenzen: Beim Versuch, «effizient» wie die Industrie zu werden, haben sich die LandwirtInnen von importiertem Futter und – wie der Rest der Wirtschaft – vom Erdöl abhängig gemacht. Der Umbau täte also auch ihnen weh.

Die Schweizerische Arbeitsgemeinschaft für Berggebiete (SAB) bekämpft die Initiative aktiv. Sie fürchtet, dass eine Annahme Tourismus und Verkehr verteuern würde. Auch diese Angst ist berechtigt. Aber sie ist auch fantasielos.

Wir, die BewohnerInnen eines unglaublich privilegierten Landes, können versuchen, gute Strategien zu finden im Umgang mit der ökologischen Krise, die sich verschärfen wird. Oder wir können Augen und Ohren verschliessen und weitermachen wie bisher – in der Hoffnung, dass wir die Folgen nicht mehr erleben. SAB-Präsident Isidor Baumann, CVP-Ständerat aus Uri, hat sich für Letzteres entschieden: Er kämpfte in den letzten Jahren unter anderem dafür, dass Pistenfahrzeuge von der Mineralölsteuer befreit werden. Mitte August fand er beim Bundesrat Gehör. Wieder ein kleiner Schritt in die falsche Richtung – von einem Bundesrat, der eigentlich wüsste, was nottäte.