Der Waffenstillstandsdeal: Ein demokratisches Syrien wird denkbar

Nr. 37 –

Eigentlich wollte John Kerry gar nicht mehr nach Genf fliegen. Es sei der Mühe nicht wert, hatte der US-Aussenminister gesagt. Aber dann traf er sich trotzdem mit dem russischen Amtskollegen Sergej Lawrow. Nach langen Verhandlungen hatten Russland und die USA dann plötzlich ihren Syriendeal. Details gingen nicht an die Öffentlichkeit – ausser dass seit Montagabend eine Waffenruhe gilt und dass man danach vereint gegen den Islamischen Staat (IS) und den Al-Kaida-Ableger Dschabhat Fatah al-Scham zuschlagen würde. Es gab kein Wort über einen möglichen Fahrplan, über eine Übergangsregierung mit oder ohne Baschar al-Assad. Es hiess nur, er sei langfristig keine Lösung.

Die USA und Russland haben wieder einmal einen geheimen Deal gemacht, und der Rest der Welt soll gefälligst den Mund halten. Trotzdem lässt sich ein wenig herauslesen, wie sich die beiden Grossmächte die Zukunft Syriens vorstellen. Sie scheinen zuerst neben dem IS und al-Kaida auch gleich andere islamistische Gruppierungen angehen zu wollen. Kerrys Ansage hätte nicht klarer sein können, er will offenbar die Spreu vom Weizen trennen. «Wenn Gruppen innerhalb der Opposition ihre legitime Rolle beibehalten wollen», erklärte der US-Aussenminister in Genf, «dann müssen sie sich mit allen erdenklichen Mitteln von al-Kaida und dem IS distanzieren.» Das werden auch einige der vermeintlich moderaten Gruppen innerhalb der Freien Syrischen Armee nur ungern tun. Doch bleibt ihnen nicht viel anderes übrig – ausser sie wollen selbst zum Ziel der russisch-amerikanischen Kampfjets werden. Kerry und Lawrow sprachen von einem «Wendepunkt» in der Syrienpolitik, der nichts anderes bedeutet als: Die radikalen Islamisten sollen isoliert und auf eine irrelevante Grösse reduziert werden.

Von dieser gemeinsamen Strategie könnten letztlich tatsächlich die Anhänger und Aktivistinnen aus den Anfangstagen der syrischen Revolution profitieren. Sie hatten bereits im März eine Waffenruhe genutzt, um zu Tausenden für Freiheit und Demokratie zu demonstrieren – und waren dabei prompt in Konflikt mit radikalen Islamisten geraten.

Das Wiedererstarken demokratischer Kräfte wäre das Beste für Syrien. Denn damit hätte sich die Möglichkeit eines islamistischen Emirats erledigt. Und die Tage Assads wären ebenfalls gezählt: Kaum jemand würde ihn und seinen Staatsapparat noch als das kleinere Übel sehen, um die Herrschaft der Islamisten abzuwenden. Syrien bekäme endlich wieder eine Zukunft.