Von oben herab: Faschoeintopf

Nr. 39 –

Stefan Gärtner liest Gölä

In einer saturierten bürgerlichen Demokratie ist das Volk rechts. Rechts ist der Platz an der warmen Heizung, den man nicht hergeben will, wie nach einer goldenen Regel Adornos die Verdummung da beginnt, wo das Interesse anfängt. Dieses Interesse, das sich so gut (und nicht zu Unrecht) als mit dem Interesse des Standorts identisch verkaufen lässt, hat freilich seine Opfer, für die der Standort, mit dem sich noch jene besonders lustvoll identifizieren, die er am schärfsten vernutzt, nicht verantwortlich gemacht werden darf. Doch Schuldige brauchts. Das Ressentiment kennt sie, und Demagogen kennen das Ressentiment.

Keine Überraschung also, dass das Schweizervolk in einem rechten Rundumschlag alle Vorschläge vom letzten Sonntag abgebügelt hat; dass es Stärke gegen den Terror will (und nicht fragen, was ihn verursacht), nicht unnötig grün sein und sich bei den Renten bescheiden, der Wirtschaft zuliebe. Damit ist der Seelenhaushalt wieder im Gleichgewicht. Dann kommt man heim und lässt die neue CD von Göla laufen, und der «SonntagsBlick», wofür man ihm dankbar sein soll, hat per Interview dafür gesorgt, dass wir sie nicht hören müssen, um zu wissen, was drauf ist: «Ich bin ein einfacher Arbeiter und Familienvater. (…) Unser System fördert es geradezu, dass junge Menschen das Geld vom Sozialamt erhalten, selbst wenn sie gar nicht krank sind. Und am Schluss hängen viele nur noch herum, trinken Bier und bekiffen sich. (…) Diese Leute sind kerngesund, aber zu faul, um zu arbeiten. (…) Unterstützung nur noch denen bieten, die wirklich darauf angewiesen sind. Aber sicher nicht mehr all jenen, die einfach behaupten, ein undefinierbares seelisches Problem zu haben, für das es ausser einem Burnout keinen Namen gibt. (…) Wir verweichlichen immer mehr. Alle jammern nur noch und finden es selbstverständlich, den Staat zu schröpfen. Und der pfuscht im Gegenzug immer weiter in unser Leben hinein. (…) Mir ist die Politik in der Schweiz viel zu links», weshalb Göla auch mit dem «Pack von Bern» aufräumen möchte, dem EU- und deutsch- und ausländerfreundlichen, volksfremd intellektuellen: «Schauen Sie doch mal die Wähler der SP an: Studierte, Pädagogen, Philosophen. Wir haben ja nicht einmal mehr einen Bundesrat, der volkstümlich ist.»

Das finden die Leut’ am Faschismus halt so prima: dass er weiss, wo der Feind steht. Seit Hitler, der sich stets als «Arbeiter aus dem Volk» stilisierte und das «Volkstümliche» aus Eintopfsonntag und SA-Beschränktheit gegen das Intellektuelle, Kranke, Fremde, Schmarotzende in Stellung brachte, hat sich da nichts geändert, und der Trick ist immer bloss der eine, selbe: dass der Feind des Volkes (um die Sprachregelung einmal zu übernehmen) nicht der Fabrikdirektor sei, sondern der Studierte, Faulpelz oder Kranke, der sich für die Fabrik zu schade ist. «All jene, die auf dem Bau oder in einer Metzgerei schuften, gelten in unserer Gesellschaft mittlerweile als weniger wert», und dass das ja stimmt, macht, wie alle Halbwahrheit, die Stimmungsmache so gefährlich.

Göla ist der kommerziell erfolgreichste Mundartmusiker der Schweiz, die als immer noch zu links zu denunzieren nur deshalb nicht glatt NSDAP ist, weil der Schweizer Kleinbürger Göla als Libertärer gelten muss, dem nichts fremder ist als der totale Staat. Solche Leute wählen Donald Trump, nicht Adolf Hitler.

Da kann man freilich aufatmen. Puh!

Stefan Gärtner (BRD) war Redaktor bei der «Titanic» und ist heute Schriftsteller und «linksradikaler Satiriker» («Die Zeit»). An dieser Stelle nimmt er das Geschehen in der Schweiz unter die Lupe.