Was weiter geschah: Wenn ein Stadtrat plötzlich ganz leise wird

Nr. 40 –

Normalerweise lässt der Zürcher Stadtrat Filippo Leutenegger keine Möglichkeit aus, sich medienwirksam zu inszenieren – vorausgesetzt, er wird ins rechte Licht gerückt. Diese Woche jedoch musste Leutenegger über gravierende Missstände in seinem Tiefbaudepartement informieren, eine knappe Medienmitteilung musste reichen.

Konkret geht es um «Verfehlungen» beim Bau des Logistikzentrums Hagenholz von Entsorgung und Recycling Zürich (ERZ). Diese Verfehlungen haben es in sich: «Der bewilligte Kredit von 72,1 Millionen Franken wurde um rund 14,7 Millionen Franken überschritten, zahlreiche Unterlagen sind nicht vorhanden, das Controlling hat ungenügend funktioniert, Aufträge wurden freihändig vergeben, Vergabekompetenzen wurden überschritten, die Projektdokumentation funktionierte ungenügend», heisst es in der Medienmitteilung mit Verweis auf den «geheimen Abschlussbericht». Einzig Hinweise auf strafrechtlich relevante Handlungen seien nicht gefunden worden.

Die Konsequenzen des grob fahrlässigen Umgangs mit Steuergeldern fallen erstaunlich mild aus: Der verantwortliche ERZ-Direktor Urs Pauli erhält eine schriftliche Mahnung, alle weiteren involvierten ERZ-Mitarbeitenden werden überhaupt nicht belangt. Der Abschlussbericht hält übrigens auch fest, dass Ruth Genner, die grüne Vorgängerin von FDP-Stadtrat Leutenegger, ihre Sorgfaltspflichten nicht verletzt habe. Die linken Stadtzürcher Parteien haben den milden Umgang Leuteneggers mit dem ERZ-Direktor umgehend kritisiert. Wirklich stossend ist aber vor allem seine Informationspolitik: Der Abschlussbericht zu den Verfehlungen bleibt geheim. Der Bericht der Zürcher Finanzkontrolle, der das Millionendebakel überhaupt erst zutage gebracht hat, wäre ebenfalls geheim geblieben, wenn ihn die WOZ im Juni nicht öffentlich gemacht hätte.

Die Öffentlichkeit sollte angesichts der Tragweite sowie der Verwendung von Steuergeldern vollumfänglich über die Hintergründe informiert werden – so wie das in Winterthur vor zwei Wochen in einem ähnlich gelagerten Fall passiert ist. Dort gab nach der Publikation der Administrativuntersuchung der zuständige Stadtrat seinen Rücktritt bekannt.

Nachtrag zum Artikel «Millionendebakel: Das Entsorgungsamt hat mal eben 132 Verträge entsorgt» in WOZ Nr. 23/2016 .