Roman: Am äussersten Rand

Nr. 44 –

Wandern? Nein, danke. Das überlässt Alexandra, Ich-Erzählerin in Lovis Cassaris’ Romandebüt «Ein letztes Mal wir», lieber ihrer Partnerin Meike. Bis sich innerhalb kurzer Zeit alles ändert – und Alexandra in die nordschwedische Stadt Kiruna reist, um eine 180-Kilometer-Tour durch Lappland zu absolvieren.

Bereits am ersten Tag schmerzen Alexandras Rücken und Füsse so stark, dass sie fast aufgibt. Die Fotografin Emma, die ihren Weg kreuzt, motiviert sie zum Weitergehen, und die beiden ziehen gemeinsam durch überwältigende Landschaften im Kebnekaise-Massiv. Von Emma nach ihrem Ehering gefragt, beginnt Alexandra, von ihrer Liebe zu Meike zu erzählen.

Dieser zweite Erzählstrang des Buchs spielt in Zürich und ist von ganz anderem Schmerz gezeichnet als die Strapazen der Wanderung. Doch zunächst sind da eine Leichtigkeit und ein Begehren, die Alexandra nach wenigen Wochen ihr Berliner Tattoostudio aufgeben lassen, auch wenn sie Meikes Wohnort Zürich so attraktiv wie «kalte Brokkolisuppe» findet. Die «vegetarische Wanderfanatikerin» Meike und Alexandra, «Sportmuffel und Fleischfresser», harmonieren perfekt miteinander. Bis Meikes Krankheit die Beziehung auf den Kopf stellt. Der Zerfall ihres Körpers schreitet schnell voran, und Alexandra, die Meike noch vor wenigen Wochen versicherte, sie nie als Last zu empfinden, entwickelt neben aller Liebe zu Meike auch grossen Abscheu und Überdruss.

Alexandra schildert die Strategien, wie sie mit ihren Gefühlen umgeht, schonungslos und detailliert. So wird die Last spürbar, die Alexandra zu tragen hat und der sie nicht mit der beabsichtigten Stärke begegnen kann. Und trotzdem ist «Ein letztes Mal wir» nicht nur tieftraurig und erdrückend. Der Erzählstrang in Schweden bietet einen Kontrapunkt, und witzige Dialoge rufen immer wieder ein Schmunzeln hervor. Alexandra bewahrt trotz des schrecklichen Verlusts ihren Humor und eine Lebenslust, die sie an der Seite ihrer Trekkingpartnerin Emma durch ihre Erinnerungen und bis ans Ziel des Trekkings führen.

Lovis Cassaris: Ein letztes Mal wir. Querverlag. Berlin 2016. 192 Seiten. 22 Franken