Kommentar zur Klimakonferenz in Marrakesch: Erträgt der Planet einen Trump?

Nr. 46 –

Die Stimmung an der Klimakonferenz zeigt: Die Ignoranz des neuen US-Präsidenten ist gefährlich. Aber kein Grund zur Verzweiflung.

Die Dramaturgie auf Klimakonferenzen lebt von Gerüchten: Wer fordert welchen Kompromiss? Warum blockiert diese oder jene Ländergruppe schon wieder? Wie gross ist der Einfluss der Lobbygruppen? Das Gerücht, das die Klimakonferenz in Marrakesch beherrscht, ist aber bösartiger: Der frisch gewählte Präsident der USA, Donald Trump, werde noch diese Woche den Ausstieg aus dem Pariser Abkommen zum Klimaschutz verkünden. Und das Schlimme daran: Das Gerücht könnte wahr werden.

Offiziell weiss niemand Genaueres. Donald Trumps Leute sind nicht in Marrakesch, ein Drittel der US-Delegation sucht bereits neue Jobs. Der US-Chefverhandler Jonathan Pershing sagt: «Niemand von Trumps Team hat uns kontaktiert. Wir wissen nicht, was er will.»

Gut möglich, dass auch Trump selbst das nicht weiss. Der Mann hat den Klimaschutz mal anerkannt, dann wieder als Betrug bezeichnet, den «die Chinesen erfunden haben, um unserer Wirtschaft zu schaden». Er will den «Klimaskeptiker» Myron Ebell beauftragen, die US-Umweltbehörde EPA zu «reformieren». Andererseits: Ist Trump die Abkehr vom Pariser Abkommen wichtig genug, um damit aussenpolitisch Porzellan zu zerschlagen?

Die Spekulationen bringen eine Spannung nach Marrakesch, die niemand erwartet hatte. Die Konferenz galt als langweiliger Nachfolger von Paris, wo sich das Drama in einem historischen Abkommen entlud, das erstmals alle Staaten zum Klimaschutz verpflichtet. Dann wurde es im Rekordtempo ratifiziert, inzwischen sind über hundert Staaten dabei. In Marrakesch sollten nun die Details geklärt werden. Wie sollen die Klimapläne der Länder vergleichbar gemacht werden? Welche Regeln gelten bei den Leistungsvergleichen? Wie bringen die Industriestaaten jährlich die hundert Milliarden US-Dollar auf, die sie den armen Ländern ab 2020 versprechen?

Zu all diesen Themen gibt es in Marrakesch Gespräche, hier und da kleine Erfolge. Die Industriestaaten legen ein bisschen mehr Geld auf den Tisch und helfen den ärmeren Ländern dabei, ihre Klimapläne umzusetzen. Es gibt einen Fahrplan für die hundert Milliarden, der nicht völlig abgelehnt wird. Das sind die Prozesse, die man erwartet hat.

Nun steht aber ein weiteres Thema auf der Tagesordnung: Ist der globale Klimaschutz schon so weit, dass er auch einen demagogischen Ignoranten im Weissen Haus verträgt? Es gibt viele Leute, die sagen: Klimapolitik ist keine Sache der Ökoszene und der «Gutmenschen» mehr. Inzwischen hat das Big Business das Ruder übernommen: Solaranlagen und Windräder werden auch in Texas in grossem Stil gebaut, weil sie schneller und billiger Strom produzieren. In China leiten verschärfte Regeln für Verbrennungsmotoren eine Wende in der Mobilität ein. Der Smog in Delhi und Schanghai treibt die Politik weg von der Kohle. Wer so denkt – oder hofft –, fühlte sich am Beginn der Konferenz von neuen Daten bestätigt: Demnach sind in den letzten drei Jahren die weltweiten CO2-Emissionen aus der Verbrennung von Kohle, Öl und Gas kaum mehr gestiegen.

Andere Zahlen besagen jedoch, dass drastischer Klimaschutz dringlicher ist denn je: Die Rekordtemperaturen setzen sich fort. Will die Welt die Erwärmung bis 2100 unter zwei Grad Celsius halten, dann müssen die OECD-Länder bis 2030 aus der Kohle aussteigen, China bis 2040 und Indien bis 2050. Sonst liegen nur noch unerprobte oder gefährliche Lösungsansätze vor, um das Klimagas wieder aus der Atmosphäre zu holen. Die  Emissionen müssen dringend schon vor 2020 zurückgehen, wenn das Pariser Abkommen überhaupt erst in Kraft tritt. Am besten sollten sie seit vorgestern sinken.

Und genau in diese entscheidende Zeit fällt nun Trumps Amtszeit. Selbst wenn das beste aller denkbaren Szenarien eintritt – Trump bleibt beim Klima einfach untätig –, wäre das eine schwere Belastung. Sollte er im Abkommen bleiben und den Prozess von innen bremsen, wäre das fatal. Sollte er aussteigen, müssten sich die anderen Länder neu organisieren. Das braucht kostbare Zeit.

Worauf können wir hoffen? Auf Gerüchte? Dass Donald Trump erklärt, er habe das alles nicht so gemeint? Dass jener Teil der US-Wirtschaft, dem der Klimawandel den grössten Schaden zufügt, den Aufstand probt?

Die Antwort ist einfach. Die Hoffnung muss darauf beruhen, dass Verzweiflung keine Alternative ist. Es gibt keinen anderen Weg als Klimaschutz und Armutsbekämpfung, wenn unsere biologische, wirtschaftliche und politische Umwelt nicht kollabieren soll. Jedes Zehntelgrad weniger an Erwärmung begrenzt die Risiken für unsere Zukunft. Das ist jeden Kampf wert. Und irgendwann wird auch Washington wieder zur Vernunft kommen.