LeserInnenbriefe

Nr. 1 –

Schönstes Glück auf Erden

«Im Affekt: Warum so fad, Herr Dylan?», WOZ Nr. 50/2016

Der Artikel erinnert mich an das Unverständnis, auf das Bob Dylan 1966 oder Ende der siebziger Jahre bei seinem Publikum traf. Stephan Wackwitz hat auf «Zeit Online» Folgendes geschrieben: «Ich glaube, der tiefere Grund dafür, dass er mich (Jahrgang 1952) und viele andere meiner Generation unser ganzes Leben lang mit allem interessierte, was er gemacht hat (auch wenn wir es nicht verstanden oder anstössig fanden), besteht darin, dass Dylan das weithin sichtbare Exempel eines experimentellen inneren Lebens war.» Dieser Satz gibt ganz gut wieder, wie ich Dylan sehe und höre. Ich bin Jahrgang 1949. Das oben in Klammern Eingeschobene stimmt ebenso für mich. Ich denke, Dylan selbst versteht häufig nicht, was er tut.

In seinem Dankesbrief erkenne ich den gewöhnlichen (vielleicht «faden» und «lauen») Dylan wieder. Er ist baff ob seiner Wahl. Er lässt die Gedanken kreisen um die «Literatur», um den Nobelpreis und seine GewinnerInnen. Er fragt sich, ob er den Preis verdient hat. Er schildert seine Träume, den Weg von bescheidenen Anfängen bis zu weltweitem Ruhm. Er sagt, dass die Lieder das Zentrum sind von allem, was er tut. Er dankt dem «kleinen» Nobelpreiskomitee. Er schätzt ihre Entscheidung, einen Liedermacher gewählt zu haben. So habe ich das gelesen, es ist einfach, aber gut.

Seine Stimme können viele nicht ausstehen. Mir behagt sie. Wenn er zum Beispiel Weihnachtslieder – ein blödes Beispiel, einverstanden – singt, tönt das für mich wie der Samichlaus. Aber – Lieder schreiben kann er. Er ist ein Poet, der mich begeisterte und begeistert.

Ich höre auf mit Carl Spitteler, dem Schweizer Literaturnobelpreisträger von 1919: «Menschen zu finden, die mit uns fühlen und empfinden, ist wohl das schönste Glück auf Erden.» So erging es mir mit Dylan und seinen Fans. Am Schluss des Artikels weiss ich nicht, was da stinken soll – höchstens zu dick aufgetragenes Parfüm anderer angeblicher «Stars».

Allen auf der WOZ ein gutes neues Jahr – und macht weiter so im 2017.

Victor Boulter, Gossau

Mit oder ohne Nutztiere?

«Angeklagt: Kuh, Schaf und Geiss», WOZ Nr. 51 + 52/2016

Danke, Bettina Dyttrich, für den wie immer gut recherchierten und gut geschriebenen Artikel über Nutztiere und Umwelt. Ich hatte schon lange den Verdacht, dass die industrielle Haltung der Rinder ein Problem ist und nicht deren Nutzung an und für sich. Natürlich können prinzipielle ethische Argumente gegen eine Tierhaltung im Allgemeinen vorgebracht werden. Persönlich kann ich diese verstehen, teile sie aber nicht bis zum konsequenten Veganismus.

Mario Hubeli, per E-Mail

Bettina Dyttrich hat einen differenzierten und klugen Artikel zu nachhaltiger Nutztierhaltung geschrieben. Sie zeigt, dass die Haltung von Wiederkäuern ökologisch sein kann. Das ist ja eigentlich schon viel. Nur leider reicht ihr das nicht. Sie versucht zusätzlich zu zeigen, dass Landwirtschaft mit Tierhaltung nicht nur ökologisch sein kann, sondern einer viehlosen Landwirtschaft überlegen ist. Das ist schade, denn da landet der Text in der Mystifizierung.

Die Behauptung, es gebe keine nachhaltige Landwirtschaft ohne Tierhaltung, wird nämlich auch nicht wahrer, wenn sie von Vandana Shiva kommt. Kreislaufwirtschaft geht gut auch ohne Tierhaltung. Gras beispielsweise kann nicht nur an Wiederkäuer verfüttert, sondern geradeso gut als Dünger im Pflanzenbau eingesetzt werden, zum Beispiel als Mulch oder Kompost. Das ist auch ökologisch und effizient. Das heisst: Ja, es gibt nachhaltige Landwirtschaft mit Nutztieren, aber genauso auch ohne Nutztiere. Was anderes zu behaupten, ist Ideologie.

Jann Krättli, Biohof Tannacker, Rechthalten

Ein neuer Kompass

«… dann kommt die Moral», vierteilige Serie über linke Ethik, WOZ Nr. 6/2016 (Teil 1), WOZ Nr. 23/2016 (Teil 2), WOZ Nr. 46/2016 (Teil 3) und WOZ Nr. 50/2016 (Teil 4).

Lotta Suter beschreibt das Gefühl der Leere, die sich nach all den Enttäuschungen und Entwicklungen unter der Linken ausbreitet. Ich finde es sehr gut, dieses Thema anzusprechen. Leider wird der Schönheitswettbewerb, der überall stattfindet, in der Öffentlichkeit nicht über Inhalte, sondern durch eine Qualifizierung nach guten und schlechten GenossInnen geführt. Ich zweifle, dass der neue Kompass eine Schöpfung am rechten oder linken Rand sein wird. Was wir suchen, ist im Wesentlichen eine Neuschöpfung respektive Fortsetzung der Aufklärung, eine Erweiterung von «Liberté, Egalité, Fraternité».

200 Jahre haben die Rahmenbedingungen vollständig verändert. Das müsste sich auch auf diese Grundsätze auswirken. Ich meine, dass das Wesentlichste aber nicht die neuen Technologien sind. Vielmehr ist es die Endlichkeit dieses Planeten, der uns letztlich keinen Fluchtweg mehr lässt. Das ist zwar irgendwie in der Bauchgegend angekommen, aber noch lange nicht im Kopf. Ich persönlich würde in diese Richtung weiterdenken.

Niklaus Baltzer, Biel