Donald Trump: Erste Tage einer neuen Epoche

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Die breiten Proteste gegen ihn haben dem neuen US-Präsidenten in den ersten Tagen seiner Amtszeit einen Dämpfer verpasst. Doch für Trumps GegnerInnen hat die grosse Arbeit erst begonnen.

Bis zu 4,8 Millionen Menschen demonstrierten am 21. Januar an über 500 Frauenmärschen überall in den USA gegen den neuen Präsidenten – so wie hier in Washington D. C.

Wie ein Boxer marschierte Donald Trump vergangenen Freitag aus dem Westflügel des Kapitols, um sich vor mehreren Hunderttausend Menschen zum neuen US-Präsidenten vereidigen zu lassen. In seiner kurzen Antrittsrede blieb er sich in seinen Zweideutigkeiten treu. Trump griff das «Establishment» frontal an und verkündete einen Neubeginn. Dabei hatte er in den letzten Wochen nicht nur viele VertreterInnen dieses Establishments in sein Übergangsteam geholt, sondern auch dem Kongress vor allem VertreterInnen des Establishments für die Posten im neuen Kabinett vorgeschlagen.

Trump ist der Start gründlich missglückt. Während ihn weniger Menschen als erwartet feierten, waren die Protestmärsche der Frauen tags darauf umso grösser. Zwischen 3,3 und 4,8 Millionen in mehr als 500 Gemeinden sollen laut einer Zusammenstellung von WissenschaftlerInnen allein in den USA teilgenommen haben. Rund eine halbe Million Menschen marschierten in Washington, mindestens 400 000 in New York. Sechsstellige Zahlen werden auch aus Los Angeles, Chicago, Boston, Denver, Oakland, San Francisco und Seattle gemeldet. Das ist beispiellos. In vielen Städten haben zuvor noch nie so viele Menschen zugleich an einer Demonstration teilgenommen. Sie haben Donald Trump die Show gestohlen. Und sie haben gezeigt, dass es möglich ist, sich gemeinsam gegen die absehbare Politik des neuen Präsidenten zu wehren.

Doch so hoffnungsvoll der Anfang für die GegnerInnen auch war: Die grosse Belastungsprobe steht erst bevor. Von jetzt an bestimmt Donald Trump die Agenda. Das bedeutet, dass sich die Opposition damit beschäftigten muss, die in den vergangenen Jahrzehnten oft mühsam errungenen Fortschritte zu verteidigen, statt Neues zu erkämpfen. Trumps Politik wird die Rechte der Frauen – etwa auf Abtreibung – und Minderheiten infrage stellen, aber auch im grossen Stil Umwelt- und Sozialstandards aufweichen.

Ein Kabinett der Konzerne

Gleich am Dienstag hat Trump eine präsidiale Verfügung unterzeichnet, die das Ende des Transpazifischen Handelsabkommens (TPP) besiegelt. Damit löst er ein Wahlkampfversprechen ein. Und er richtet sich an eine Gruppe von WählerInnen, die er im Wahlkampf besonders umgarnt hatte. Auch in seiner Antrittsrede verpasste er es nicht, «die vergessenen Männer und Frauen des Landes» anzusprechen, denen er versprach, dass man nicht weiter ausländische Industrien auf Kosten der eigenen Industrie und einheimischer Jobs reicher machen werde.

Trumps Schlag gegen das TPP sitzt. Denn damit erfüllt er vordergründig auch einen Wunsch vieler Gewerkschaften, Umweltverbände und des linken Flügels der Demokratischen Partei um Bernie Sanders. Sie sehen in internationalen Freihandelsabkommen primär ein Instrument der grossen Konzerne, um die Beschäftigten sowie die Sozial- und Umweltstandards der einzelnen Länder gegeneinander auszuspielen. Seinem Vorgänger Barack Obama kann Trump damit eins auswischen. Dieser war während seiner ganzen Amtszeit mit der Aushandlung des TPP beschäftigt und hatte sich immer dafür eingesetzt.

Allerdings zeigt Trumps Kabinettsliste, dass er keinesfalls gewillt ist, eine Politik gegen die grossen Konzerne zu betreiben. Ganz im Gegenteil. Die kanadische Publizistin Naomi Klein spricht mit Blick auf das nominierte Kabinett gar von einem «Staatsstreich der Konzerne». So hat Trump gleich mehrere ehemalige Führungsleute der Grossbank Goldman Sachs in Schlüsselpositionen berufen. Der ehemalige Goldman-Sachs-Präsident Steven Mnuchin wird gar Finanzminister. Die Aktie von Goldman Sachs ist denn auch seit der Wahl von Trump um mehr als ein Drittel angestiegen. Man könne, so Klein, die Zusammensetzung der neuen Regierung als Versuch der Konzerne interpretieren, die Sache selber in die Hand zu nehmen, um der für sie immer bedrohlicher werdenden Umwelt- und Sozialbewegung im Land entgegenzutreten.

Auch die Interessen der US-Energieindustrie sind in Trumps Team besonders gut vertreten: So werden mehrere Ministerposten mit Leuten besetzt, die in den letzten Jahren immer wieder leugneten, dass der Klimawandel menschengemacht ist. Zudem soll mit Rex Tillerson ausgerechnet der frühere Konzernchef des grössten privaten Energiekonzerns Exxon Mobil Aussenminister werden. Das Unternehmen passt seine Investitionstätigkeit dementsprechend an: Vergangene Woche wurden Frackingfirmen für insgesamt 6,6 Milliarden US-Dollar aufgekauft, die in Texas und New Mexico über Bohrlizenzen verfügen. Exxon Mobil weiss, dass Trump der heimischen Kohle-, Erdöl- und Gasförderung möglichst wenige Steine in den Weg legen will. Das belegen auch die beiden präsidialen Verfügungen vom Dienstag, die die von Obama gestoppten Pipelinebauten Keystone XL und Dakota Access Pipeline wieder vorantreiben sollen.

Die trumpsche Energiepolitik wird zu einem Showdown mit der Umweltbewegung führen. Diese kann seit Trumps Wahl auf wachsende Unterstützung aus der Bevölkerung zählen. Der grosse Umweltverband Sierra Club hat in einem Monat 18 000 neue Mitglieder aufgenommen, Greenpeace und das National Resources Defense Council (NRDC) melden einen massiven Anstieg der Spenden. Es ist zu erwarten, dass die grossen Verbände die Regierung in juristische Auseinandersetzungen verwickeln und dabei auch von Staaten wie Kalifornien unterstützt werden, wo der Klimawandel in der Politik wie bei der Bevölkerung als existenzielle Bedrohung wahrgenommen wird.

Auf Kosten von Sozialprogrammen

Weniger Gegenwind dürfte Trump erwarten, sollte er sein Versprechen wahr machen und, wie in der Antrittsrede verkündet, die Infrastruktur des Landes – Strassen, Brücken, Eisenbahnen und Flughäfen – im grossen Stil erneuern und ausbauen. Bei den DemokratInnen im Kongress ist diese Ankündigung jedenfalls auf grosse Zustimmung gestossen.

Allerdings stellt sich dabei eine zentrale Frage: Woher will Trump das Geld nehmen? Denn gleichzeitig hat er Steuersenkungen versprochen, derweil die republikanische Mehrheit im Kongress drastische Kürzungen des Staatshaushalts fordert. Die US-Zeitung «The Hill» schreibt, dass sich Trumps Team in den letzten Wochen intensiv mit VertreterInnen der Heritage Foundation getroffen habe. Laut «The Hill» plant Trump auf Anraten des konservativen Thinktanks Budgetkürzungen von bis zu 10,5 Billionen US-Dollar in den nächsten zehn Jahren. Das geht nur auf Kosten von Sozialprogrammen.

Es ist absehbar, dass sich Trump in immer mehr Widersprüche verheddern wird. Doch man sollte deswegen nicht zu früh jubeln: Fühlt er sich in die Defensive gedrängt, wird Trump neue Karnickel aus dem Hut zaubern, um von seinen Widersprüchen abzulenken. Mit Themen wie Bandenkriminalität, Drogen und Terror wird er Angst schüren und sich als starker Mann in Szene setzen. Bei Bedarf kann er auch internationale Konflikte, etwa mit China, provozieren oder den Krieg gegen den IS-Terror eskalieren lassen.

Im Inland dürfte es Trump vor allem auch auf Minderheiten abgesehen haben, etwa die Sans-Papiers, denen er nun erneut unterstellt, sie hätten zu Millionen illegal an der Präsidentschaftswahl teilgenommen und so seinen Sieg geschmälert. Auch hier wird Trump mit starkem Gegenwind rechnen müssen. Dutzende von Städten und Landkreisen haben in den letzten Jahren beschlossen, Sans-Papiers zu schützen. Sie verweigern die Zusammenarbeit mit nationalen Migrationsbehörden, wenn es um Ausschaffungen geht.

Eine Frage der Solidarität

Die Bürgerrechtsorganisation American Civil Liberties Union (ACLU) hat dem neuen Präsidenten schon mal den Kampf angesagt. Sie will nicht nur die BürgerInnenrechte schützen, sondern mit Klagen auch die Offenlegung aller offiziellen Dokumente erzwingen, die mögliche Interessenkonflikte des Präsidenten belegen könnten. Allein in der Woche nach Trumps Wahl hat die ACLU 7,2 Millionen US-Dollar an Spenden eingenommen. Vier Jahre zuvor waren es im gleichen Zeitraum knapp 28 000 US-Dollar.

Die ACLU ist Teil eines Zusammenschlusses, der sich United Resistance nennt. Darin sind auch Umweltverbände, Bürgerrechts- und Menschenrechtsorganisationen, Frauenorganisationen, kleinere Gewerkschaften, aber auch linke DemokratInnen vertreten. Ihr Wahlspruch: «Vereint in Solidarität gegen Trumps hasserfüllte Politik». Die Organisationen versprechen sich gegenseitig Hilfe und beteuern: «Wenn sie es auf einen von uns abgesehen haben, legen sie sich mit uns allen an.» Gelingt es Trumps GegnerInnen, die an den Demonstrationen vom Samstag beschworene Einheit zu bewahren, besteht Grund zur Hoffnung.