Auf allen Kanälen: Killerspiele mit Foucault

Nr. 6 –

Reflexion statt öder Testberichte: Das «WASD»-Magazin nimmt Computerspiele ernst. In der Jubiläumsausgabe geht es um Videogames und den Tod.

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Früher oder später müssen wir alle sterben, daran haben auch ein paar Jahrtausende wissenschaftlichen Fortschritts nichts geändert. Und weil dieser Umstand genau genommen doch einigermassen verstörend ist, verwundert es nicht, dass der Tod in hiesigen Breiten weitgehend tabuisiert ist. Wer mag sich schon mit dem Gedanken auseinandersetzen, dass die Hausärztin bereits morgen mit einer unerwarteten Diagnose aufwarten könnte.

So gesehen können Computerspiele als Lockerungsübungen in Sachen Endlichkeit betrachtet werden. Der Tod ist in Videogames nämlich allgegenwärtig, wohl jeder, der regelmässig vor der Konsole oder dem Rechner sitzt, hat bereits zahllose digitale Existenzen ausgelöscht und fast ebenso häufig selbst das Zeitliche gesegnet, auch wenn er in der analogen Welt ein noch so friedfertiges Temperament haben mag. In seinem Beitrag zur Jubiläumsausgabe des «WASD»-Magazins, das sich mit dem Thema «Videospiele und der Tod» befasst, bringt Christian Huberts das auf eine hübsche Formel: «Den Tod vor lauter Leichen nicht mehr sehen.» Wer in einem Genreklassiker wie «Doom» unentwegt über zerfetzte Monsterkadaver stolpert und die Schrotflinte in Dauerbetrieb hat, dürfte kaum auf die Idee kommen, innezuhalten und darüber nachzudenken, was er da eigentlich gerade tut.

Gespielter Tod, echtes Sterben

Genau Letzterem, der Reflexion über das Medium Computerspiel, hat sich «WASD» verschrieben. Seit 2012 erscheint das «Bookazine für Gameskultur», mit zwei Heften pro Jahr und stets mit einem anderen Schwerpunkt. So widmeten sich frühere Ausgaben virtuellen Zukunftsvisionen oder der politischen Dimension von Videospielen. Der etwas sperrige Name der aufwendig gestalteten, rund 200 Seiten starken Zeitschrift (deswegen auch der Neologismus «Bookazine») verweist übrigens auf die Tastaturbefehle, mit denen man in vielen Games seinen Avatar durch die virtuelle Welt bewegt.

Ins Leben gerufen wurde das Heft von Christian Schiffer, der hauptberuflich für den Bayerischen Rundfunk tätig ist. Er wollte eine Publikation schaffen, die sich Computerspielen feuilletonistisch nähert – anders also als die herkömmliche Testberichterstattung, die Neuerscheinungen etwa auf ihre technischen Qualitäten prüft. Damit trägt das Magazin dem Umstand Rechnung, dass Videogames sich immer mehr als seriöse Kulturgüter etablieren und auch von einem anspruchsvolleren Publikum rezipiert werden.

So zitieren die «WASD»-AutorInnen schon mal den Philosophen Michel Foucault, um die Funktionsweise einer Stadtbausimulation wie «Cities: Skylines» zu erläutern. Trotzdem sind die Texte nie übertrieben akademisch. Im Jubiläumsheft – der zehnten Nummer – findet sich etwa ein berührendes Porträt des passionierten Spielers Dmitrij, der unheilbar an einem Gehirntumor erkrankt war. Über sein Leiden berichtete der 25-Jährige in einem Blog namens «Sterben mit Swag». Weil Dmitrij darin auch immer wieder über Games schrieb, besuchte ihn «WASD»-Herausgeber Christian Schiffer. Bis zuletzt blieben die beiden in Kontakt, noch im Hospiz feilte Dmitrij penibel an einer Liste für Schiffer, in der er die Spiele aufführte, die ihm besonders viel bedeuteten; sein Porträt bekam er nicht mehr zu Gesicht.

Jenseits des Mainstreams

Eine lohnende Lektüre ist überdies Eugen Pfisters Abriss über die «Kulturgeschichte zerstückelter Körper» wie auch der bereits zitierte Essay von Christian Huberts, der darin Parallelen zwischen Videogames und Sexfilmen herausarbeitet («Was dem Porno der Cumshot, ist dem Shooter der Headshot»). Kriegsspiele wie «Call of Duty» unterlägen einer «grenzenlosen Ökonomie des Tötens» – weswegen für sie genauso wie für die Orgien auf Youporn gelte: «Eine Nachahmung ist nicht nur nicht zu empfehlen, sondern schlicht unmöglich.»

Derartige Betrachtungen dürften auch Leuten gefallen, die selten zum Gamepad greifen. Zudem finden sich im «WASD» viele Hinweise auf Spiele, die jenseits des Mainstreams entdeckt werden wollen: etwa auf den Simulator «The Graveyard», in dem man als gebrechliches Grossmütterchen über einen Friedhof flaniert, oder das traurige «That Dragon, Cancer», das vom Krebstod eines Kleinkindes erzählt.

www.wasd-magazin.de. Einzelheft circa 16 Euro.