Ernährungssicherheit: Agroindustrie? Ökoliberalisierung? Beides falsch!

Nr. 11 –

Die Basis war unzufrieden. Der Schweizerische Bauernverband (SBV) musste darauf reagieren und tat, was man in der Schweiz gerne tut: Er lancierte eine Volksinitiative. Die Basis sammelte 2014 in kurzer Zeit fast 150 000 Unterschriften dafür. Viele verstanden die extrem vage formulierte Initiative für Ernährungssicherheit als Forderung, die landwirtschaftliche Produktion stärker zu subventionieren und ökologische Standards zurückzufahren. Explizit stand das allerdings nicht im Text (siehe WOZ Nr. 11/2016 ). Die Initiative kam im Nationalrat gut an, nicht aber im Ständerat. Dieser arbeitete einen Gegenvorschlag aus, dem nun beide Räte zustimmten. Allerdings ist er noch offener formuliert als die Initiative: Der Bund soll unter anderem Voraussetzungen schaffen für «grenzüberschreitende Handelsbeziehungen, die zur nachhaltigen Land- und Ernährungswirtschaft beitragen». Was bedeutet das? Eine weitere Handelsliberalisierung? Diese Frage wird noch für Streit sorgen. Trotzdem jubelt SBV-Präsident Markus Ritter. Der SBV hat seine Initiative am Dienstag zurückgezogen.

Die Mediendebatte zum Thema war so undifferenziert wie die meisten Agrardiskussionen der letzten Jahre. Die einen, etwa Raphael Bühlmann vom «Schweizer Bauern», fordern eine industriell-intensive Produktion – und blenden aus, dass die «Ernährungssicherheit», die sie propagieren, extrem abhängig von Importen ist: von Futter, Öl, Dünger und Pestiziden aus dem Ausland. Und dass die Tiermast, die sie keinesfalls einschränken wollen, mehr Kalorien vernichtet, als sie produziert. Doch auch ihre GegnerInnen wie etwa SP-Ökonom Rudolf Strahm, die auf Ökologie und Liberalisierung gleichzeitig setzen, sind kurzsichtig: Totale Marktöffnung führt zu Verdrängungskämpfen, einem enormen Druck auf Menschen, Tiere und Umwelt und zu noch mehr sinnlosen Transporten. Das Rennen nach dem billigsten Produkt schafft GewinnerInnen bei den Agrokonzernen und viele VerliererInnen bei den LandwirtInnen.

Zu hoffen bleibt, dass die Debatte spannender wird, wenn die Abstimmung über die Initiative für Ernährungssouveränität der Gewerkschaft Uniterre näher rückt. Denn sie verweigert sich diesem falschen Entweder-oder.