Was weiter geschah: Keine Ausbürgerung

Nr. 11 –

Das Vorgehen der Behörden war ohne Beispiel: Im Mai 2016 leitete das Staatssekretariat für Migration (SEM) die Ausbürgerung des Winterthurers Christian I. ein, weil er «den Interessen oder dem Ansehen der Schweiz» geschadet haben soll. Der 1996 im Kanton Zürich geborene schweizerisch-italienische Doppelbürger war Anfang 2015 nach Syrien gereist, um sich dort dem IS anzuschliessen. Wenige Monate später soll er gemäss Medienberichten umgekommen sein. Dennoch unternahmen die Bundesbehörden erste Schritte zu seiner Ausbürgerung.

Recherchen der WOZ zeigen nun: Das Ausbürgerungsverfahren gegen Christian I. ist mittlerweile eingestellt worden. Das SEM kommentiert grundsätzlich keine Einzelfälle, aber ein Sprecher der Migrationsbehörde bestätigt, dass derzeit «kein Entzugsverfahren pendent ist». Auch ist die ursprüngliche Notifikation im Bundesblatt mittlerweile aus Datenschutzgründen vom Netz genommen worden.

Als die Pläne des SEM öffentlich wurden, sorgte das unter ExpertInnen für Kritik. Die Ausbürgerungsbestrebungen waren unter anderem deshalb so erstaunlich, weil das SEM ein Jahr zuvor den Rechtsprofessor Alberto Achermann um eine rechtliche Einschätzung gebeten hatte, dessen Erkenntnisse dann aber ignorierte. Achermann kam nämlich zum Schluss, es seien «zu viele Fragen» offen, um dschihadistischen Kämpfern das Bürgerrecht zu entziehen (siehe WOZ Nr. 31/2016 ).

Warum das SEM den Entzug des Bürgerrechts von Christian I. am Ende nicht weiterverfolgte, will die Behörde nicht sagen. Letzten Sommer liess das SEM verlauten, dass man «bei klar festgestelltem Ableben» auf eine Ausbürgerung verzichten würde. Vielleicht liess sie sich aber auch dank der eigenen rechtlichen Abklärungen von ihrem Vorhaben abbringen. Klar ist, dass das SEM nach der Bekanntmachung des Ausbürgerungsverfahrens im Mai 2016 keine weiteren Schritte unternahm. Die Behörde hätte zunächst den Kanton Zürich um eine Bewilligung ersuchen müssen. Dort ging allerdings nie eine Anfrage des Bundes ein.

Nachtrag zum Artikel «Dschihadisten ausbürgern?» in WOZ Nr. 23/2016 .