Durch den Monat mit Badreddine Riahi (Teil 5): Traumabewältigung durch Bildermalen, wie geht das?

Nr. 13 –

Wegen islamkritischer Bilder wurde Badreddine Riahi bis in die Schweiz hinein bedroht. Nachdem sein erstes Asylgesuch abgelehnt wurde, hat er nun ein zweites gestellt.

Badreddine Riahi im Treppenhaus der Autonomen Schule Zürich: «Bilder über Flucht sind immer emotional. Viele Menschen weinten beim Malen.»

WOZ: Herr Riahi, Sie haben in Wien, Tunesien und in der Schweiz gelebt. Gibt es für Sie so etwas wie Heimat?
Badreddine Riahi: Auf dem Papier ist Tunesien mein Heimatland. Doch dieses Land bedeutet mir nichts mehr. Seit ich den islamistischen Wandel in Tunesien erlebt und gesehen habe, wie dort eine islamisch-archaische «Kopftuchgesellschaft» entstanden ist, fühle ich mich in diesem Land nicht mehr zu Hause. Heimat ist für mich grundsätzlich ein schwieriger Begriff. Irgendwie habe ich immer das Gefühl, am falschen Ort zu sein.

Wie meinen Sie das?
Ich bin in Tunesien unter dem Ben-Ali-Regime aufgewachsen. In diesem autoritären Staat habe ich mich nicht zugehörig gefühlt. Dann ging ich nach Wien. Zuerst konnte ich die Sprache nur schlecht, dementsprechend habe ich mich auch dort fremd gefühlt. Mit dem Erlernen der Sprache konnte ich mir zwar ein gewisses soziales Netz aufbauen, aber richtig dazugehörig konnte ich mich auch in Österreich nie fühlen. Ich habe die dortige Gesellschaft als sehr verschlossen erlebt. Nach vielen Jahren in Wien ging ich wieder zurück nach Tunesien. Das Land hatte sich inzwischen zwar stark gewandelt, jedoch nicht zum Positiven. Und nun bin ich in der Schweiz. Als Asylbewerber gehöre ich aber auch hier nicht richtig dazu.

Jetzt droht Ihnen, dass Sie zurück nach Tunesien gehen müssen. Ihr erstes Asylgesuch wurde abgelehnt, nun haben Sie ein zweites gestellt.
Mein erstes Asylgesuch habe ich gestellt, weil ich mich in Tunesien nicht mehr sicher fühlte: Ich wurde von radikalen Islamisten zusammengeschlagen und mit dem Tod bedroht. Trotzdem: Das Gesuch wurde abgelehnt. Mein Anwalt wollte den Fall daraufhin bis an den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Strassburg weiterziehen. Nachdem ich jedoch auch in der Schweiz Morddrohungen von Islamisten erhalten hatte, schlug mir mein Anwalt vor, ein zweites Asylgesuch zu stellen.

Sie wurden von Tunesien aus in der Schweiz bedroht?
Ja, seit längerem betreibe ich einen Blog. Darauf habe ich eine Bildreihe veröffentlicht, die sich mit dem politischen Islam auseinandersetzt. Dazu habe ich Bilder zum Thema «körperliche Bestrafung nach Schariarecht» gezeichnet, die ich «Les corps torturés» nannte, gefolterte Körper.

Deshalb haben Sie Morddrohungen erhalten?
Ja. Zum einen bekam ich Mails, in denen ich aufgefordert wurde, die Bilder zu löschen; und in anderen Mails, die nachweislich aus Tunesien kamen, wurde ich mit dem Tod bedroht. Trotz all dem habe ich die Bilder nicht gelöscht. Ich habe sie meinem Anwalt gezeigt, worauf er mir vorschlug, unbedingt ein zweites Asylgesuch zu stellen.

Wie lange malen Sie schon?
Ich male und zeichne, seit ich denken kann. Es ist eine meiner grossen Leidenschaften. Im Durchgangszentrum Juch konnte ich sogar ein Malatelier einrichten.

Wie ist dieses Projekt entstanden?
Ein Seelsorger der evangelisch-reformierten Kirche, den ich im Juch kennengelernt hatte und dem ich Bilder von mir zeigte, bot mir an, mit ihm zusammen ein Malatelier zu organisieren – unter anderem mit dem Ziel der Traumabewältigung. Die Kirche hat uns sehr grosszügig Malutensilien gesponsert.

Traumabewältigung durch Bilder, wie muss man sich das vorstellen?
Viele Menschen im Juch sind unter grossen Anstrengungen geflüchtet. Ein Teil von ihnen hat dabei Freunde und Verwandte verloren. Für diese Menschen ist es zum Teil sehr schwierig, über das Erlebte zu sprechen. So hatte der Seelsorger die Idee, die Menschen ihre Erlebnisse malen zu lassen. Wir wollten vor allem drei Themenbereiche aufgreifen: Flucht, Exil und Perspektiven. Es war aber nicht zwingend vorgegeben, dass sie ihre Erlebnisse darstellen mussten. Sie durften malen, was sie wollten.

Was war das emotionalste Bild, das Ihnen in Erinnerung geblieben ist?
Bilder über Flucht sind immer emotional. Viele Menschen weinten beim Malen. Ein Bild, das mir ganz besonders in Erinnerung geblieben ist, stammte von einem jungen Mann, der in einem kleinen Fischerboot übers Mittelmeer zu fahren versuchte. Vor der italienischen Küste ist das Boot gesunken. Die meisten Menschen an Bord konnten nicht schwimmen – und sind ertrunken. Der junge Mann war einer der wenigen Überlebenden. Als guter Schwimmer konnte er sich dreissig Minuten über Wasser halten. Danach rettete ihn die italienische Küstenwache. Er hat das Ganze in einem Bild verarbeitet.

Und was haben Sie mit all den Bildern gemacht?
Ursprünglich wollten wir eine Ausstellung machen, doch sie ist nicht zustande gekommen. Ich hatte das Gefühl, dass der Seelsorger Angst davor hatte, mit uns eine solche Ausstellung zu machen. Weshalb, kann ich mir nicht erklären. Ich habe daraufhin mit anderen Bewohnern versucht, das Ganze auf die Beine zu stellen. Doch irgendwie ist es dann im Sand verlaufen.

Seit Badreddine Riahis (43) erstes Asylgesuch abgelehnt wurde, lebt er in einer Notunterkunft für abgewiesene Asylsuchende. Zurzeit moderiert er Deutschkurse in der Autonomen Schule Zürich (ASZ).