Kost und Logis: Vertrackter Weg zum Bioland

Nr. 15 –

Bettina Dyttrich über launische KonsumentInnen und dreckige Bäche

Letzte Woche hat der Branchenverband Bio Suisse die neusten Zahlen veröffentlicht. Bio hat erfreulich zugelegt. 386 Bauernbetriebe haben sich für die Umstellung ab 2017 angemeldet – so viele wie seit den neunziger Jahren nicht mehr. Biobetriebe bewirtschaften heute 13,4 Prozent der Landwirtschaftsfläche. Entscheidend ist dafür die Romandie: Dort ist die alte Skepsis der LandwirtInnen endlich geschwunden. Jetzt stellen die Grossen um – wie Yves Gaillet mit seinem Fünfzighektarenbetrieb auf dem Mont Vully (siehe WOZ Nr. 13/2017 ).

13,4 Prozent? Ist das etwa viel? Das Ziel war doch ein «Bioland Schweiz»!

«Sollen gar nicht so viele umstellen», sagte ein junger Biobauer vor ein paar Jahren an einer Diskussion. «Sonst kommen nur die Preise unter Druck.» Ja, leider ist der Weg zum «Bioland Schweiz» vertrackt. Denn die KonsumentInnen sind ein ziemlich launischer Verein. Sie kaufen vor allem Eier, Brot und Gemüse in Bioqualität – bei diesen Lebensmitteln liegt der Bioanteil bei über 20 Prozent. Bei Milch und Milchgetränken macht er dagegen 16,4 Prozent, bei Kartoffeln 12,1 Prozent und bei Käse nur 6,5 Prozent aus. Ein Biohof kann aber nicht nur Eier oder nur Getreide produzieren. In den letzten Jahren hatten viele Umstellbetriebe das Problem, dass zwar ihre Ackerbauprodukte gesucht, aber der Biomilchmarkt schon gesättigt war. Und wo gemolken wird, fallen auch Schlachttiere an: Stierkälber und alte Kühe. Aber weil viele Biokonsumentinnen vegetarisch leben und viele Fleischesser zu geizig sind, liegt der Bioanteil von Frischfleisch bei mageren 5 Prozent.

Es gäbe natürlich noch einen anderen Weg zum «Bioland Schweiz»: eine Exportoffensive. Aber teure Bioprodukte mit «Swissness»-Bonus in die ganze Welt exportieren, während die Schweiz sämtliche konventionellen Lebensmittel für ihre Armen und Geizigen importiert – das kann es nicht sein.

Am Tag, an dem die Biozahlen publik wurden, veröffentlichte das ETH-Wasserforschungsinstitut Eawag eine Studie. Es untersuchte die Wasserqualität in fünf Bächen in Intensivlandwirtschaftszonen der ganzen Schweiz – und fand 61 Herbizide, 45 Fungizide und 22 Insektizide. Alle fünf Bäche sind dreckiger, als sie von Gesetzes wegen sein dürften. «In 80 Prozent der Proben wurde die Anforderung der Gewässerschutzverordnung von mindestens einem Stoff nicht eingehalten», schreibt die Eawag.

Die Schweiz braucht dringend einen sorgfältigeren Umgang mit Pestiziden: strengere und transparentere Zulassungsverfahren, mehr Kontrollen, bessere Schulungen und Lenkungsabgaben. Das würde konventionelle Lebensmittel teurer und biologische konkurrenzfähiger machen. Gleichzeitig könnte der Bund BiokonsumentInnen belohnen – zum Beispiel mit Steuergutschriften – und dafür sorgen, dass in den Kantinen und Mensen dieses Landes endlich ökologische Nahrung auf den Tisch kommt. Das wären entscheidende Schritte in Richtung «Bioland Schweiz».

Bettina Dyttrich ist WOZ-Redaktorin.