LeserInnenbriefe: Einverleibung ad infinitum?

Nr. 15 –

«Roma in der Schweiz: ‹Wir gehören hierher›», WOZ Nr. 14/2017

Schade. In vielem, ja dem meisten, hat Stéphane Laederich recht. Doch das Unbedingt-Recht-haben-Wollen macht den guten Ansatz zunichte. Zu lange beschäftigt er sich mit der Materie. Es sollte ihm also längstens bekannt sein, dass die Jenischen nicht einfach «eine fahrende Gruppe mit Schweizer Ursprung» sind. Das Wort «jenisch» taucht in schriftlichen Quellen erstmals 1713 in Wien auf. Ja, die Jenischen sind eine europäische Minderheit, doch keine «schweizerische» und nur zum kleinsten Teil eine «fahrende». Ja, ein DNA-Test «beheimatet» die Roma in Indien. Doch sich auf solche Diskussionen einzulassen, führt genau zum kritisierten Ergebnis: Die Roma werden von ihm selbst erneut exotisiert. Wen interessiert heute noch ernsthaft die DNA von Finnen, die vielleicht zu den Hunnen führen könnte, oder von Spaniern, die sie mit Moslems/Arabern zusammenführen könnte? Realität ist, dass all diese «Gruppen» oder «Völker», inklusive der Roma, genauso zur europäischen Geschichte wie zur Gegenwart gehören, dass sie alle massgeblich und gemeinsam das erschufen, was heute als europäische Kultur(en) wahrgenommen wird.

In diesen jahrhundertelangen Prozessen entstand aus dem von deutschsprachigen Fürsten beherrschten Franken-Reich das heutige Frankreich. Wer wollte behaupten, dass die Franzosen Deutsche seien? Genau das aber macht Laederich mit den Sinti und Manouches. Ein wesentlicher – auch öffentlicher – Teil von ihnen begreift sich als eigenständige Minderheit. Sie haben eine sogenannte «Ethnogenese» durchlebt, haben sich also quasi abgenabelt. Roma-Politiker aber brauchen die Sinti zur Verbreiterung ihrer Einflussbasis. Deshalb greifen sie auf solche alten Kamellen zurück, um die Sinti sich möglichst ad infinitum einverleiben zu können. Nein, als jenischer Verein erheben wir keinerlei Anspruch, die Sinti bei uns «einzugemeinden». Aber wir respektieren die Gleichberechtigung aller Minderheiten, ob Jenische, Sinti oder Roma – und egal, ob das Laederich oder der WOZ in ihr Weltbild, das mit diesen Argumentationen allzu schnell gefährlich in die Nähe volkstümelnder Gefilde abgleitet, passt. Wir lassen uns nicht in alte, verrottete und quietschende Schubladen pressen, weder von links noch von rechts.

Venanz Nobel, Verein schäft qwant, per E-Mail