Terror in Ägypten: Heuchelei hüben wie drüben

Nr. 15 –

Nachdem am vergangenen Sonntag bei Anschlägen in Ägypten vierzig KoptInnen getötet worden waren, rief Präsident Abdel Fattah al-Sisi den Ausnahmezustand aus und inszenierte sich als Beschützer der ChristInnen. Zeitgleich reagierten einige europäische Staatschefs mit Schwüren auf den gemeinsamen Kampf gegen den Terror. Heuchelei hüben wie drüben.

Einmal mehr werden ChristInnen im Nahen Osten Opfer zynischer Politik von allen Seiten. Einerseits nimmt die Dschihadorganisation IS sie ins Visier, weil Gewalt gegen ChristInnen besonders medienwirksam ist, andererseits dienen die KoptInnen Sisi als Rechtfertigung repressiver Massnahmen. Der ägyptische Diktator kann sich sicher sein, dass die USA und seine europäischen Partner kaum Kritik äussern, wenn die Repression vorgeblich dem Schutz der KoptInnen dient. Bereits Expräsident Hosni Mubarak und sein syrischer Kollege Baschar al-Assad profitierten von der Androhung, dass ohne sie die ChristInnen und andere Minderheiten verloren seien.

Dabei geht es Sisi vor allem um die Symbolik, die Aufrechterhaltung seines Kämpferimages. Mit dem 2015 vom Präsidenten dekretierten Terrorismusgesetz hat er ohnehin schon fast freie Hand; eine unabhängige Justiz gibt es nicht. Seit dem Amtsantritt Sisis 2013 wurden Hunderte Oppositionelle in Massenverfahren zum Tod oder zu lebenslanger Haft verurteilt, über 40 000 Menschen gelten als politische Gefangene, Folter ist weitverbreitet. Und im Nordsinai, der IS-Hochburg, herrscht bereits seit 2014 der Ausnahmezustand. Dort führt die Regierung einen Krieg ohne Rücksicht auf die Bevölkerung.

Die Zerschlagung der Muslimbruderschaft begünstigte massgeblich die Radikalisierung des politischen Islam. Dass diese Politik die ChristInnen, die als regierungstreu gelten, mehr exponiert als schützt, scheint Sisi egal zu sein. Echten Schutz kann oder will er ihnen nicht bieten: Seit seinem Amtsantritt gab es 400 registrierte Gewalttaten gegen KoptInnen, und nur die wenigsten sind aufgeklärt worden.

Aus dem Kampf gegen den Islamismus und den Terrorismus zieht Abdel Fattah al-Sisi seit seinem Putsch die politische Legitimität. Angesichts der Zunahme terroristischer Gewalt müssten die westlichen Partnerregierungen längst einsehen, dass Sisi diese mehr bewirtschaftet als eindämmt. Mehr Druck auf Sisi wären sie gerade auch den KoptInnen schuldig.