Zehn Jahre Finanzkrise: Wie die Welt auf den nächsten Crash zusteuert

Nr. 17 –

Zehn Jahre nach Beginn der grossen Finanzkrise hat die herrschende Politik weltweit die Ursachen für die damalige Krise nochmals verschärft. Während dies rechten Nationalisten wie US-Präsident Donald Trump zum Aufstieg verhilft, bahnt sich im Hintergrund der nächste Crash an.

  • Lesebeispiel: Im Jahr 2000 betrug der Durchschnitt der Staatsschulden der G7-Länder 79 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Der Sprung in der Staatsschuldenkurve ergibt sich aus der Verwendung zweier Quellen (grosse Ansicht der Grafik). Quellen: Internationaler Währungsfonds (Staatsschulden 1980–2006); Bank für internationalen Zahlungsausgleich (Haushalte / Staatsschulden 2007–2015)
  • Der MSCI-G7-Index widerspiegelt die Entwicklung der Aktien der G7-Länder (grosse Ansicht der Grafik). Quelle: Morgan Stanley Capital International (MSCI)
  • Der Gini-Koeffizient (zwischen null und eins) zeigt die Verteilung der Einkommen: Je höher der Koeffizient ist, desto ungleicher ist die Verteilung (grosse Ansicht der Grafik). Quelle: OECD

Anfang 2007 schien es mit der Welt noch aufwärtszugehen. Die Wirtschaft brummte, die EU expandierte weiter nach Rumänien und Bulgarien; der schlimmste US-Präsident, den man sich damals vorstellen konnte, hiess George W. Bush, und irgendwo in Illinois verkündete Mitte Februar ein Senator namens Barack Obama mit grossen Versprechen, als erster schwarzer US-Präsident ins Weisse Haus einziehen zu wollen.

Zur selben Zeit häufen sich allerdings in US-Medien die Meldungen über taumelnde Finanzinstitute, wie etwa die New Century Financial Corporation, die im April 3200 Mitarbeitende entlässt. Die Institute haben armen US-AmerikanerInnen Hypotheken verkauft, die nun die Zinsen nicht mehr zahlen können. Es ist der Beginn einer riesigen Finanzkrise, die die Welt innerhalb von zehn Jahren auf den Kopf stellen wird.

Noch Mitte Mai 2007 beschwichtigt US-Notenbankchef Ben Bernanke, die Hypothekenkrise werde kaum Auswirkungen auf die US-Wirtschaft haben. Als am 9. August das französische Finanzinstitut BNP Paribas mitteilt, InvestorInnen nicht mehr auszahlen zu können, und die Europäische Zentralbank den Banken 95 Milliarden Euro bereitstellt, um sie liquid zu halten, wird klar: Die Krise ist ernst. Und sie ist global – US-Banken haben die faulen Hypotheken filetiert, mit anderen Krediten zu neuen Wertpapieren zusammengeschnürt und um den ganzen Erdball verkauft.

Too big to fail

Am 13. September 2007 kommt es zum ersten Bankenrun: Vor den Filialen der britischen Northern Rock bilden sich lange Schlangen von Menschen, die ihr Geld zurückwollen. Die britische Regierung stoppt den Ansturm, indem sie eine Garantie für Einlagen ausruft. 2008 rettet auch die US-Regierung mehrere Banken; den Höhepunkt erreicht die Krise jedoch am 15. September, als die Regierung entscheidet, die Investmentbank Lehman Brothers fallen zu lassen. Bilder von BankerInnen gehen um die Welt, wie sie mit Kartonkisten, in die sie das Nötigste gepackt haben, aus dem gläsernen Hochhaus der kollabierenden Bank strömen.

Es droht der Blackout des Finanzsystems. Vor allem in den USA und in Europa nehmen Regierungen Milliarden in die Hand, um die Banken zu retten. Allein Europas Regierungen stellen bis 2011 rund 4,5 Billionen Euro Steuergelder bereit. Am 16. Oktober 2008 macht auch die Schweiz 66 Milliarden US-Dollar für die UBS locker.

Die Banken sind «too big to fail»: Sie sind zu gross, um fallen gelassen zu werden, ohne die gesamte Wirtschaft in den Abgrund zu reissen.

Als die globale Wirtschaft trotzdem in die tiefste Depression seit der Weltwirtschaftskrise der dreissiger Jahre taucht, schreiten die Regierungen zusätzlich mit Konjunkturpaketen ein. Im November 2008 ruft EU-Kommissar Manuel Barroso Europas Staaten auf, 200 Milliarden Euro bereitzustellen. Anfang 2009 folgt der frisch gewählte US-Präsident Barack Obama mit 800 Milliarden US-Dollar. Die Bankenrettungen, die Konjunkturpakete und die Rezession lassen die öffentlichen Schulden explodieren. Die durchschnittliche Staatsschuld der G7-Länder (die fast die Hälfte der globalen Wertschöpfung produzieren) klettert ab 2007 in drei Jahren von 77 auf 102 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP). Das Geld leihen sich die Regierungen von den Banken, die sie gerettet haben: für die Banken, die das Geld von den Zentralbanken fast gratis erhalten, ein neues Milliardengeschäft.

Zugleich bahnt sich trotz der Staatseingriffe eine soziale Katastrophe an. In den USA steigt die Arbeitslosigkeit in drei Jahren von 4,6 auf 9,6 Prozent, in Spanien etwa von 8,2 auf 19,9, für Junge sogar von 18 auf 42 Prozent. Mit dem globalen Rückgang der wirtschaftlichen Nachfrage wird die Arbeitslosigkeit in die halbe Welt exportiert – und mit dem fallenden Ölpreis geraten auch Erdölländer wie Russland in Schwierigkeiten. Als 2010 InvestorInnen auf der Suche nach neuen Anlagen die Nahrungsmittelpreise hochjagen, kommt es global zu Hungerkrisen, die Zahl der unter Hungersnöten leidenden Menschen erhöht sich um 150 Millionen.

Was war schiefgelaufen?

Die Monate nach dem Kollaps von Lehman Brothers war die Zeit der grossen Schuldeingeständnisse. Alan Greenspan, bis 2006 US-Notenbankchef und vielleicht der einflussreichste Ökonom der letzten Jahrzehnte, entgegnete auf die Frage eines Abgeordneten, ob die Krise nicht zeige, dass seine wirtschaftliche Ideologie nicht funktioniere: «Absolut, präzise, das ist genau der Grund, warum ich geschockt war, weil ich vierzig Jahre lang oder mehr überzeugt war, dass es aussergewöhnlich gut funktioniert.» Doch was war schiefgelaufen?

Die kürzeste Antwort lautet: Gier. Die Gier nach Geld hat BankerInnen dazu verführt, immer grössere Risiken einzugehen. So vergaben sie auch mittellosen US-AmerikanerInnen Hypotheken, die sie als Wertpapiere an andere gierige Banker in der ganzen Welt verkauften. So steht es auch im offiziellen US-Untersuchungsbericht zur Finanzkrise.

Und es ist auch die Antwort, die der Film «The Wolf of Wall Street» von 2013 gibt, in dem dauerverkokste Wall-Street-Broker, die Ramschpapiere in die Welt verticken, abends wilde Orgien feiern, während denen sie Kleinwüchsige in Bienenanzügen gegen eine überdimensionierte Zielscheibe knallen.

Die Gier konnte sich jedoch nur entfalten, weil ab den achtziger Jahren die Finanzwelt, die nach dem Börsencrash von 1929 reguliert worden war, erneut entfesselt wurde – zuerst unter Präsident Ronald Reagan in den USA und Premierministerin Margaret Thatcher in Britannien, dann weltweit.

Seither haben kleine Geschäftsbanken mit Investmentbanken fusioniert und sind zu riesigen Universalbanken aufgestiegen; die Eigenmittel der Banken, die dazu dienen, Verluste aufzufangen, sind vom zweistelligen Bereich auf ein paar Prozente geschmolzen; Kapital bewegt sich zunehmend frei über Grenzen hinweg, unregulierte «Schattenbanken» wurden ebenso geschaffen wie komplexe Finanzprodukte, mit denen sogar auf Naturkatastrophen gewettet werden kann.

Es gibt jedoch auch einen tiefer liegenden Grund für die Finanzkrise. US-Notenbankchef Bernanke hatte bereits 2005 vor einer «saving glut» gewarnt, einer Ersparnisflut, die seit den achtziger Jahren die Zinsen immer weiter heruntergedrückt habe (je grösser das Angebot, desto tiefer der Preis). Dies verleite zu riskanten Geschäften. Als Ursache für diese Flut nannte er zum einen China, das sich ein Sicherheitspolster anlege – zum anderen alternde Gesellschaften, die mehr sparten, und die Ölexporteure, die ihre Einnahmen anlegten. Es gibt jedoch eine weitere Ursache, die von sogenannten Post-KeynesianerInnen ergründet wurde und inzwischen auch im Mainstream als solche anerkannt ist: die wachsende Ungleichheit der Einkommen und Vermögen (vgl. Grafik «Verteilung der Einkommen» weiter oben) – Reiche legen einen grösseren Teil ihres Einkommens an als Arme, die fast alles zum Leben ausgeben müssen.

Auch diese Ungleichheit hat ihre Gründe: Im aggressiver werdenden Standortwettbewerb haben weltweit viele Regierungen seit den achtziger Jahren ihre Unternehmenssteuern gesenkt – in Deutschland von 60 auf 30, in Britannien von 52 auf 20, in Frankreich von 50 auf 34 Prozent. Die Staaten haben damit Geld verloren, die AktionärInnen Geld gewonnen. Zudem liberalisierten die Regierungen ihre Arbeitsmärkte, was einerseits den AktionärInnen zusätzlich nützte und andererseits auf die Löhne tief qualifizierter Arbeitskräfte, der VerliererInnen des technologischen Wandels, drückte.

Spanien lässts in Deutschland brummen

Die Antwort auf eine Welt, in der einige immer mehr Geld haben und die anderen immer weniger, dem Staat jedoch zunehmend die Mittel fehlen, um ihnen zu helfen, war einfach: die Anhäufung von Schulden. Und das gilt nicht nur für arme US-AmerikanerInnen: Einerseits nahmen Regierungen weltweit das Geld bei Reichen auf, um es den Ärmeren etwa in Form von Sozialleistungen weiterzugeben. Andererseits halfen sie durch die Entfesselung der Banken den Leuten, sich selbst zu verschulden. Die durchschnittliche öffentliche Schuld ist in den G7-Ländern zwischen 1980 bis zur Finanzkrise von 42 auf 86 Prozent des BIP geklettert, die Schulden der Privathaushalte von 37 auf 67 Prozent.

Ebendiese Schulden dienten aber auch zur Stützung der Wirtschaft, die wegen der Ungleichheit zu erlahmen drohte: Wenn immer mehr gespart wird, wird immer weniger konsumiert.

Trotz dieses schuldgetriebenen Konsums blieb das Wirtschaftswachstum und damit auch die Inflation mässig. Und so entschieden auch die Zentralbanken, nichts gegen die tiefen Zinsen zu tun, die schliesslich auch die Börsen befeuerten: So kletterte der MSCI-Index, der die Aktienkurse der G7-Länder abbildet, von 1980 bis zum Ausbruch der Finanzkrise 2007 von 140 auf 1427 US-Dollar. Der deutsche Soziologe Ralf Dahrendorf bezeichnete die Weltwirtschaft kurz vor seinem Tod 2009 als «Pumpkapitalismus».

Wie Bernanke dargelegt hatte, wurden die steigenden Ersparnisse nicht nur innerhalb der einzelnen Länder verliehen, sondern auch über Landesgrenzen hinweg, was zu sogenannten globalen Ungleichgewichten führte: Ein Grossteil von Chinas Ersparnissen floss in die USA, wo damit chinesische Waren gekauft wurden. Deutsche AnlegerInnen liehen ihr Geld etwa nach Spanien, das sich damit verschuldete. Schuld daran war vor allem der Euro: Für ein ökonomisch starkes Land wie Deutschland war der Euro zu schwach, für Länder wie Spanien zu stark. Das ermöglichte es Deutschland, mehr nach Spanien zu exportieren als umgekehrt. Diese Importüberschüsse finanzierte Spanien wiederum mit Geld, das es sich von Deutschland lieh.

Kurz: Deutschland trieb die SpanierInnen in die Schulden, damit diese die deutsche Wirtschaft am Brummen hielten.

Als sich BankerInnen 2009 bereits wieder Millionenboni auszahlten, während sich gleichzeitig die soziale Krise vertiefte, wurde der Ruf nach einem Umbau der Weltwirtschaft lauter. Kurz nachdem sich im Dezember 2010 von Tunesien aus die Revolution über die arabische Welt auszubreiten begann – ausgelöst durch die explodierenden Nahrungsmittelpreise –, kam es auch in Griechenland und Spanien zu Massenprotesten. In Manhattan nahmen unter dem Namen Occupy Wall Street im Herbst 2011 DemonstrantInnen den Zuccottipark in Beschlag. Ihre Forderungen: Kontrolle der Banken und Schliessung der Reichtumsschere.

Weltweit solidarisierten sich Intellektuelle, Promis und PolitikerInnen mit den Bewegungen. «Empört euch!», forderte der 93-jährige einstige französische Widerstandskämpfer und Uno-Diplomat Stéphane Hessel in einem Essay, der millionenfach über den Ladentisch ging. Ein Hauch von Revolution lag in der Luft, der Glaube an eine bessere Welt.

Unter diesem Druck ist etliches passiert, zumindest was die erste Forderung angeht: Unter dem Titel «Basel III» haben die G20-Regierungen entschieden, dass Banken Eigenkapital in der Höhe von mindestens 8 Prozent ihrer (risikobehafteten) Anlagen halten müssen. Zudem haben die USA, die EU und auch die Schweiz Pläne erstellt, um im Notfall auch das Fremdkapital einer Bank heranzuziehen. Damit soll verhindert werden, dass dereinst wieder die SteuerzahlerInnen dafür aufkommen müssen.

Hinzu kommen Pläne, um Banken abzuwickeln, falls sie trotzdem bankrottgehen. Einige Regierungen haben auch Gesetze erlassen, um die Risikobereitschaft der BankerInnen zu dämpfen: In der EU dürfen seit 2013 Boni maximal so hoch sein wie das fixe Salär. Viele Regierungen verboten den Banken auch den Eigenhandel, Handel mit Papieren also, der nicht im Auftrag von KundInnen getätigt wird, sondern auf ihre eigenen Bücher.

Die Konterrevolution

Wenn man die Forderung von Occupy nach mehr Gerechtigkeit als kleine Revolution bezeichnen will, so war die Antwort der Regierungen darauf eine Konterrevolution. Mit ihren Eingriffen nach Ausbruch der Krise haben sie als Erstes dafür gesorgt, dass die Schuldenblase nicht platzte: Die meisten Privathaushaltsschulden blieben ohnehin bestehen. Und einen Grossteil der Schulden, die die Privathaushalte nicht mehr tragen konnten, luden sich die Staaten auf ihre eigenen Schultern. Erstens, indem sie die Verluste zahlten, die den Banken entstanden waren – und zweitens, indem sie mit ihren Konjunkturprogrammen für die wirtschaftliche Nachfrage aufkamen, die die Haushalte nicht mehr leisten konnten.

Als schliesslich Griechenland, Irland und Portugal die Schuldenlast nicht mehr tragen konnten, sprangen die übrigen Euro-Mitglieder ein, indem sie selber Geld aufnahmen, um es den Krisenländern weiterzuleihen. Den Rest erledigten die Zentralbanken, indem sie die Zinsen auf null senkten: Je tiefer die Zinsen, desto einfacher ist es, Schulden zu tragen.

Damit haben die Regierungen das Geld der Reichen gesichert. Deren Vermögen sind zum grossen Teil die Schulden der anderen. Das war richtig, die Wirtschaft wäre sonst noch tiefer gestürzt. Danach jedoch hätten die Regierungen die Luft aus der Blase rausnehmen können – indem sie einen Teil der Schulden gestrichen oder indem sie hohe Einkommen und Vermögen stärker besteuert hätten, um damit Schulden zurückzuzahlen. Zwar haben die Industrieländer den automatischen Informationsaustausch eingeführt, um Steuerhinterziehung zu unterbinden. Zudem haben sie Massnahmen ergriffen, damit Konzerne nicht mehr so einfach Steuern umgehen können. Doch abgesehen davon entschieden sich die Regierungen für einen anderen Weg: Staaten und Privathaushalte sollten ihre Schulden behalten. Oder zurückzahlen.

Als die RegierungsvertreterInnen der G20-Länder auf ihrem Gipfel in Toronto kurz nach ihrer Kreditvergabe an Griechenland 2010 verkündeten, dass die «jüngsten Ereignisse die Wichtigkeit nachhaltiger öffentlicher Finanzen» aufgezeigt hätten, begann vor allem in Europa die Zeit der Austeritätspolitik: Statt Steuererhöhungen für Reiche haben die Regierungen die Beschneidung des Service public beschlossen, den Sozialstaat gestutzt, öffentliche Stellen gestrichen und die Löhne gekürzt. Das Ergebnis ist in einer kürzlich veröffentlichten OECD-Studie nachzulesen: Die Industriestaaten verteilen heute weniger Wohlstand nach unten als vor der Finanzkrise.

Zudem haben viele Länder auch ihren Arbeitsmarkt weiter dereguliert, was zusätzlich auf die unteren Löhne drückt. Zusammen mit der Austeritätspolitik hat das dazu geführt, dass sich die Einkommensungleichheit seit 2007 in den meisten Industriestaaten weiter verschärft hat, wie dieselbe OECD-Studie festhält – etwa in den USA, Deutschland, Italien und Spanien.

Und so wachsen auch die Schulden weiter. Zwar sind die Privathaushaltsschulden in jenen Ländern, die die Finanzkrise ausgelöst haben, etwas gesunken – dafür aber in vielen anderen Ländern wie Frankreich oder Italien weiter gestiegen. Auch die Staatsschulden sind seit 2010 in fast allen Ländern der Welt weiter gewachsen – in den G7-Ländern von durchschnittlich 95 auf 119 Prozent des BIP. Die Börsen kochen. Nachdem der G7-Aktienindex 2007 von 1420 auf 653 US-Dollar gesackt war, erreichte er bereits 2013 erneut seine einstige Höchstmarke und ist inzwischen weiter auf 1672 US-Dollar geklettert. AnalystInnen warnen vor dem Crash. Der US-Fondsmanager John Hussman etwa spricht vom «meistüberbewerteten Moment in der Geschichte der Marktwirtschaft» und prophezeit einen baldigen Kurseinbruch von 60 Prozent.

Damit wird klar, dass auch die strengeren Bankenregulierungen der wachsenden Ungleichheit und den tiefen Zinsen wenig entgegensetzen können. Und falls es erneut zum Crash kommt, werden in manch einem Fall wohl auch die beschlossenen höheren Eigenmittel kaum reichen, um die Verluste aufzufangen, wie etwa die renommierte Bankenexpertin Anat Admati warnt.

Wie auf Trump antworten?

Heute, zehn Jahre nach Ausbruch der Finanzkrise, steckt die Wirtschaft weiter in der Krise, die EU ist seit dem Brexit-Beschluss auf dem Rückzug, und auf den Hoffnungsträger Obama ist Donald Trump gefolgt, der selbst Bush als vernunftbegabtes Wesen erscheinen lässt. Der auf dem ganzen Erdball aufstrebende Rechtsnationalismus ist das neue, hässliche Gesicht der Konterrevolution: Trump will die jüngsten Bankenregulierungen rückgängig machen und die Steuern für Konzerne halbieren. Tritt er ans Rednerpult, beschwört er jedoch den Verteilungskampf der Nation gegen aussen: gegen China, gegen mexikanische EinwanderInnen – überhaupt gegen die Welt.

Damit gewinnt er nicht nur Millionäre, Unternehmerinnen und Banker, die ihren Reichtum schützen wollen. Er schart auch all jene hinter sich, die seit der Finanzkrise weiter abgestiegen sind, deren Hoffnung auf Gerechtigkeit enttäuscht wurde – und die Trump nun glauben lässt, dass Gerechtigkeit gegen andere Nationen erkämpft werden muss. Revolutionen enden oft im Krieg, wie die Philosophin Hannah Arendt schrieb. Noch herrscht im Westen kein Krieg. Doch Trump ist daran, die Stimmen von 2011, die sich gegen das grosse Geld erhoben, im Nationalismus zu ersticken.

Heute stellt sich der politische Widerstand diesem Nationalismus entgegen – dem Rassismus, dem Sexismus. Doch gleichzeitig ist es wichtig, dem Nationalismus auch Stéphane Hessels Ruf nach sozialer Gerechtigkeit entgegenzuhalten. Denn der Boden des Nationalismus ist der wirtschaftliche Egoismus.