Kino-Film «Der junge Karl Marx»: Revolutionäre Seifenblasen

Nr. 19 –

Wer würde nicht, in sündigen Stunden, gelegentlich ein Kostümdrama lieben, mit Bösewichten und Heroinnen, in ausladenden Landschaften, mit opulenten Kleidern und zuweilen Handfeuerwaffen? Grosse Gefühle – Stolz und Leidenschaft und Liebe in Zeiten der Cholera – sind dabei in soziale Konventionen eingespannt, was diesen Filmen, englischen zumeist, doch soziale Würze und analytische Schärfe verleiht.

Jetzt kommt ein revolutionäres Kostümdrama über den jungen Karl Marx (August Diehl) in unsere Kinos. Mit Zylinder, manierlich gestutztem Bart und pausenlos paffend stürzt er sich darin in allerlei publizistische Gefechte mit den herrschenden Mächten und muss sich deshalb mit seiner tüchtigen Frau Jenny (Vicky Krieps) in kümmerlichen Verhältnissen im Exil durchschlagen – bis Friedrich Engels (Stefan Konarske), ein geschniegeltes Bürschchen, das sich in der väterlichen Fabrik eine aufmüpfige Arbeiterin (Hannah Steele) anlacht und sich zu emanzipieren beginnt, dem jungen Revolutionär einen Rückhalt bietet.

Man staunt schon ein bisschen, dass dieses biedermeierliche Rührspiel von Raoul Peck inszeniert worden ist, der gerade mit «I Am Not Your Negro» einen auch stilistisch fulminanten Essayfilm zu James Baldwin vorgelegt hat (siehe WOZ Nr. 16/2017 ). Und man kann diesen Seifenblasen auch kaum zubilligen, dass sie die grossen gesellschaftlichen Umwälzungen der Zeit zu spiegeln vermögen.

Aber das ist doch hinlänglich unterhaltsam und wirft auch einige Fragen auf, etwa zu Mary Burns, die mit und neben Friedrich Engels ein eigenständiges Doppelleben jenseits der besseren Gesellschaft geführt haben muss, in der Engels immer noch verkehrte, um die Dividendencoupons der väterlichen Fabriken pünktlich einlösen zu können; oder ob jene Veranstaltung im Red Lion Pub in London 1847, wo der Bund der Gerechten zum Bund der Kommunisten wurde, wirklich so sektiererisch ablief wie gezeigt und so – bewahre! – schon auf üblere Gewohnheiten vorauswies. Also schlägt man in einigen Büchern nach und verliert sich darin, und das ist ja auch ein Erfolg für einen Film.

Ab 11. Mai 2017 in den Kinos.

Der junge Karl Marx. Regie: Raoul Peck. Frankreich/Belgien/Deutschland 2016