Krieg im Jemen: Wenn sich die USA selber seeblockieren

Nr. 21 –

Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate bereiten eine Offensive auf die jemenitische Hafenstadt Hodeidah vor. Dass damit die Hungersnot im Jemen eskalieren dürfte, könnte zum Kalkül der Aktion gehören.

Der Jemen steht vor einer verheerenden Hungersnot. Nahrungsmittelhilfen, auf die vier Fünftel der Bevölkerung angewiesen sind, gelangen viel zu spärlich ins Land – und schon vor dem Ausbruch der Cholera, mit der sich im Mai 25 000 Menschen infizierten, fehlten sechzig Prozent der benötigten Medikamente. Grund für die katastrophale Versorgungslage sind nicht nur harzig fliessende Hilfsgelder. Gravierender noch ist die Sabotage der Importwege durch Saudi-Arabien und seine Partner, darunter die USA. Mitte Januar etwa sollte ein Frachtschiff des Uno-Welternährungsprogramms (WFP) vier Hafenkräne in die von den Huthi kontrollierte Küstenstadt Hodeidah liefern: Sie sollten die Löschkapazitäten des wichtigsten Hafens im Land steigern und so die dramatische Versorgungskrise mildern. Der Frachter wurde jedoch von der saudi-arabischen Marine gestoppt. Nach zwei Wochen kehrte er um, und die Kräne wurden in Dubai eingemottet. Während das US-Aussenministerium die Kräne finanziert hat und den grössten Teil des WFP-Budgets bereitstellt, unterstützt das US-Verteidigungsministerium die Seeblockade logistisch, an der der Frachter hängen blieb.

Arabisches «Vietnam»

Im Winter 2015 verjagte die Huthimiliz den im Land umstrittenen, aber international anerkannten Präsidenten Abed Rabbo Mansur Hadi ins saudische Exil und brachte den gesamten Westen des Jemen inklusive Hodeidah unter ihre Kontrolle. Als Schutzmacht der Regierung Hadi schmiedete Saudi-Arabien darauf eine Koalition aus neun Staaten mit dem Ziel, die Huthi wieder zu vertreiben. Dass diese unter dem Einfluss des Iran stünden – das Hauptargument der Koalition –, wurde von neutralen BeobachterInnen stets bestritten. Während Saudi-Arabien fortan die Hadi-loyalen Truppen und Milizen vor allem mit Luftschlägen unterstützte, schickten die Vereinigten Arabischen Emirate eine Söldnerarmee als Bodentruppe ins Feld.

Die Intervention ist ein militärisches Desaster: Die Armeen der reichsten Staaten der Region, die gemeinsam fast die Hälfte der amerikanischen Kriegsmaterialexporte absorbieren, werden einer Rebellengruppe im ärmsten Staat Arabiens nicht Herr – und die einzige Gruppierung, die ihren Einfluss seit dem Eingreifen der Koalition entscheidend ausbauen konnte, ist al-Kaida auf der Arabischen Halbinsel. Dabei war und ist deren Bekämpfung das offizielle Kriegsmotiv der USA. Unter Präsident Donald Trump, dessen erste Auslandsreise vergangenes Wochenende nach Saudi-Arabien führte, wurde die US-Unterstützung der Koalition intensiviert.

Schon zu Friedenszeiten deckte der bitterarme Jemen seine Versorgung zu neunzig Prozent durch Importe, siebzig Prozent davon gelangten über den Hafen in Hodeidah ins Land. Die Seeblockade, die im April 2015 durch die Saudis über die Huthigebiete verhängt worden ist, soll angeblich iranische Kriegsmateriallieferungen unterbinden. Sie und die zerbombte Hafeninfrastruktur drosseln die lebensnotwendige Zufuhr von Medikamenten, Nahrungsmitteln und Treibstoffen nach Hodeidah und in die von den Huthi kontrollierten Gebiete.

Rotes Kreuz muss ausweichen

Seit vergangenem Februar kann das IKRK gar keine Güter mehr nach Hodeidah senden, berichtet Iolanda Jaquemet, Mediensprecherin des IKRK im Nahen Osten. Ihre Speditionsfirmen seien angesichts wochenlanger Wartezeiten wegen der Seeblockade und der drohenden Offensive durch die Koalition nicht mehr dazu bereit, den Rotmeerhafen anzusteuern. Während einige kommerzielle Importeure die Wartezeiten und das Kriegsrisiko auf die Preise ihrer Güter abwälzen, weicht das IKRK neu auf den Hafen in Aden aus. Laut Jaquemet ist dies aber keine geeignete Alternative: Die beschränkten Kapazitäten des dortigen Hafens, vor allem aber der Landweg in die Zielgebiete mit gegen hundert Checkpoints beeinträchtigten die Effizienz der humanitären Hilfe massiv.

Von gezieltem Aushungern des Huthigebiets durch die Koalition will das auf Neutralität bedachte IKRK nicht sprechen. «Massive Importrestriktionen mit gravierenden Auswirkungen auf die Zivilbevölkerung» lautet die Sprachregelung, an die Jaquemet sich hält. Danach befragt, ob die Versorgungskrise zum Kalkül der Koalitionskräfte gehöre, meint Dana Sacchetti vom Welternährungsprogramm: «Die USA und Saudi-Arabien sind die beiden mit Abstand wichtigsten Geldgeber der WFP-Mission im Jemen», unter anderem deshalb könne er nichts dazu sagen. Unbefangener ist Roland Popp, der am Zentrum für Sicherheitsstudien der ETH zum Nahen Osten und zum Jemen forscht. «Weil die Koalitionskräfte militärisch nicht vom Fleck kommen, wollen sie den Druck auf die Zivilbevölkerung im Huthigebiet weiter erhöhen – Hodeidah bietet sich hierzu als Ziel an.» Man schneidet die Nahrungszufuhr ab und hofft auf Hungerrevolten, so das Kalkül. Anders denn als Teil einer Aushungerungstaktik lässt sich die beschlossene Offensive laut Popp nicht interpretieren.