Bundesratswahlkampf: Viel Tamtam, wenig Spannung

Nr. 37 –

Unterhaltung bot dieser Bundesratswahlkampf ja. Aus «Kranken-Cassis» wurde am Ende «Kokain-Cassis». Nicht die erste Spitze des Wahltheaters: Nach den Sommerferien wurde die Frauenfrage hochgekocht. Am Ende schaffte es Isabelle Moret aufs Ticket. Allerdings nicht als einzige Konkurrentin von Cassis: Die FDP-Fraktion tritt auch mit dem Genfer Pierre Maudet an. Also alles offen am 20. September? Nein. Die Irrungen der letzten Wochen boten den JournalistInnen zwar Spekulationsfutter. Das kann aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Ausgangslage äusserst unspannend ist. Erstens werden die Rechten im Rat nicht von Cassis ablassen: Nicht nur in der FDP ist der Tessiner unumstritten. Am Dienstag verkündete die SVP ungewöhnlich früh, mehrheitlich Cassis zu unterstützen. Drogenpolitik war an ihrem Hearing kein Thema. Viel wichtiger sind für die Rechten die Europa- und die Einwanderungspolitik des neuen FDP-Regierungsmitglieds. Maudet ist der SVP in diesen Punkten zu progressiv. Dass die Partei Moret nicht unterstützt, hat sie längst verlauten lassen.

Womit wir beim zweiten Punkt wären: der Frauenfrage. Vehemenz hätte dem Frauenanspruch auf den FDP-Sitz eine Kandidatur aus dem Tessin verliehen – oder aber das kompromisslose Beharren auf einer weiteren Frau. Beides ist bekanntlich nicht geschehen. Isabelle Morets Kandidatur nahm nie Fahrt auf. Sie habe kein Bundesratsformat, war man sich schnell einig, weil Moret zu nervös gewirkt habe. Der Waadtländerin mag es bei ihren ersten Auftritten tatsächlich an Souveränität gemangelt haben. Doch ihre schnelle mediale Aburteilung sagt vor allem etwas über die vorherrschenden Stereotype aus. Darüber, dass eine Frau – gerade wenn sie wie Moret blond ist und eine hohe Stimme hat – ihre Kompetenz nicht so leicht unter Beweis stellen kann. Das hat ihrem Konkurrenten Maudet die Türen geöffnet, dem man die gegenteiligen Attribute nachsagt: Selbstbewusstsein und Durchsetzungskraft. Einige Linken liebäugeln zwar mit Maudet, andere wollen die Frauenfrage noch nicht begraben. Auf eine Überraschung deutet eine Woche vor der Wahl aber rein gar nichts hin.