Sozialproteste in Frankreich: Lieber faul als Exportweltmeister

Nr. 37 –

«Es gibt kein Recht auf Faulheit», verfügte 2001 der damalige deutsche Kanzler Gerhard Schröder – um ein Jahr später damit zu beginnen, den Arbeitsmarkt zu liberalisieren. Während sich die deutschen SozialdemokratInnen also in protestantischer Arbeitsethik übten, verharrten die katholischen FranzösInnen im Schlendrian. So zumindest wollen manchen die Dinge in der Retrospektive erscheinen.

Zum Beispiel Emmanuel Macron. Dieser nämlich reklamierte das Präsidentenamt mit dem Anspruch für sich, nun endlich auch Frankreich ertüchtigen zu wollen. Und so versicherte er vor einigen Tagen, dass er sich niemals in seinem Reformeifer beirren lassen würde – und zwar erst recht nicht von «Faulenzern, Zynikern und Extremisten». Seine GegnerInnen, das suggerierte Macron damit, seien also bloss zu faul, sich dem Wettbewerb zu stellen.

Weshalb aber sollten sich die Franzosen und Französinnen auch ein neoliberales Fitnessprogramm aufschwatzen lassen, nachdem die Lohnabhängigen jenseits des Rheins erfahren mussten, dass es mit den Verheissungen der VerfechterInnen immer weiterer Deregulierungen nicht weit her ist? Zwischen 2001 und 2009 war Deutschland das einzige EU-Mitglied, in dem die Reallöhne gesunken sind – um satte 5,7 Prozent. In Frankreich stiegen sie derweil um 8,3 Prozent. Danach wurde es nur wenig besser. Deutschland protzt zwar mit tiefen Arbeitslosenzahlen. Doch was nützt Vollbeschäftigung, wenn die Löhne die Lebenshaltungskosten nicht mehr decken, die Beschäftigten immer weniger Rechte haben und die Jobs immer volatiler werden? 2016 waren in Deutschland 46 Prozent aller neu besetzten Stellen befristet.

Was bleibt den ArbeiterInnen und Angestellten Frankreichs da anderes übrig, als das bisschen Musse, das ihnen noch zusteht, zu verteidigen? Ein «droit à la paresse», ein Recht auf Faulheit, wie es der französische Sozialist und Marx-Schwiegersohn Paul Lafargue schon 1880 reklamierte, wäre ohnehin eine überfällige Forderung. Schliesslich hat der entgrenzte Wettbewerb nicht viel mehr zu bieten als die alljährliche Verleihung des Exportweltmeistertitels.

Womöglich wird die Gewerkschaft CGT, die für die laufende Woche zu Massenprotesten aufgerufen hat, Macron für seinen Ausfall trotzdem danken – der gewiefteste Gewerkschafter hätte die ArbeiterInnen wohl kaum besser mobilisieren können, spottete die Zeitung «Libération».