Auf allen Kanälen: Plan B

Nr. 39 –

Manche haben einen, manche haben keinen, viele suchen ihn. Was bloss hat es auf sich mit dem Modewort «Plan B»?

Bestimmte Wörter werden in der politischen Debatte so oft wiederholt, bis sie sich zu einem Phänomen verdichten. Doch auch wenn alle ein Wort ständig wiederholen, kann es lange nicht auffallen. Ein omnipräsentes Beispiel dafür ist «Plan B». Da fragen wir uns alle sofort, worauf er denn hinaus will, dieser Plan B – und bemerken nicht, dass der Plan B an sich das Thema ist.

Klickt man sich derzeit durch die Nachrichten, handeln sie mit auffallender Regelmässigkeit vom Plan B, der auf einen nicht gelungenen Plan A folgen soll. Jetzt wieder nach der gescheiterten Rentenreform: «Rentenalter 67 oder die Pensionskasse abschaffen – Plan B fieberhaft gesucht» («Watson»). Schon bei der letzten Abstimmung über die Unternehmensbesteuerung hiess es: «SP-Levrat hat Plan B parat» («Blick»). Nicht nur auf der nationalen Ebene ist überall vom Plan B die Rede, sondern auch auf der kommunalen: «Ich hatte keinen Plan B – das sagt Geri Müller zu seiner Abwahl» («Badener Tagblatt»).

Phänomen nicht erkannt

Die Schweiz ist zum Glück nicht allein mit dem Problem. «Merkel hat keinen Plan B», meldet der «Spiegel», weil der deutschen Kanzlerin nur die Option einer Koalition mit den Grünen und der FDP bleibt. «Es gibt keinen Plan B», betont wiederum das Internationale Olympische Komitee in der FAZ, weil es trotz der Nähe zur nordkoreanischen Grenze am Austragungsort Pyeongchang festhält.

Obwohl der Plan B überall auftaucht, ist von ihm nur in der Einzahl die Rede. Niemand spricht von «Plänen B» oder von «Plan Bs». Ein weiterer Hinweis darauf, dass das Phänomen bis jetzt kaum erkannt ist.

Absicht statt Ausweg

Dass der Begriff derart in Mode gekommen ist, ist umso erstaunlicher, als er doch schon mehr als 150 Jahre alt ist. Der britische Oxford Dictionary vermerkt, dass «Plan B» erstmals 1863 in einem Brief während des US-Bürgerkriegs erwähnt wurde. Der Begriff meinte eine Planskizze, hat also einen militärisch-strategischen Ursprung. Im deutschen Wörterbuch der Gebrüder Grimm fehlt der Plan B noch, im Ersten Weltkrieg hatte das österreichisch-ungarische Heer zwar einen, wobei das B damals noch für «Balkan» stand, ein Plan R betraf Russland.

Der Hauptgrund für die Beliebtheit des Wortes liegt also vermutlich darin, dass es sich um einen der Anglizismen handelt, wie sie längst den neoliberalen Alltag durchdringen. Darin müssen bekanntlich alle einen «guten Job machen», damit die Rechnung am «Ende des Tages» aufgeht. Ein Plan B kann dabei gewiss nicht schaden.

Vor diesem Hintergrund ist Skepsis angezeigt, wenn jemand wieder einen Plan B in die Runde wirft. Meist stellt der Plan B keine Alternative dar, sondern er maximiert bloss das Eigeninteresse. Die Rentenreform zeigt dies beispielhaft. Seit Monaten pochen die Bürgerlichen auf einen Plan B. Und fordern doch nur, was sie schon immer wollten: eine Erhöhung des Rentenalters. Auch die Forderung nach einer Volkspension von Linksaussen ist so alt wie die PdA selbst.

Es überrascht denn auch nicht weiter, dass der Plan B historisch älter ist als der Plan A. Dieser wurde erst 1867 erwähnt, in einem US-Bericht über die Weltausstellung in Paris. Der Plan B ist nicht der spätere Ausweg, sondern enthüllt die ursprüngliche Absicht. Leute wie Geri Müller, die keinen haben, sind so gesehen einfach ehrlich.

Die schöne Pointe

Das massenhafte Erscheinen des Plans B mag als Optimierung des Eigeninteresses verstanden werden. Vielleicht verbirgt sich dahinter aber auch eine schöne Pointe für den Neoliberalismus. Dieser gab sich in seinem Mantra bekanntlich immer alternativlos, oder wie die damalige britische Premierministerin Margaret Thatcher meinte: «There is no alternative.» Wenn nun überall alternative Pläne diskutiert werden, könnte sich die gegenwärtige Wirtschaftsweise insgesamt in Auflösung befinden. Selbst wenn dabei oder gerade weil in der Diskussion die Eigeninteressen aufscheinen.

Diese Medienkolumne über den Plan B ist übrigens auch ein Plan B. Die Redaktion diskutierte wieder einmal ausführlich über Medienthemen, die entweder einer längeren Recherche bedurften oder für die kurzfristig keine Autorin, kein Autor zu finden war. Ich muss zugeben, dass ich heimlich darauf gewartet habe, endlich etwas über den Plan B schreiben zu dürfen.