Was weiter geschah: Akademische Protestnote an die NZZ

Nr. 42 –

Rund siebzig WissenschaftlerInnen haben sich in einem Protestbrief an NZZ-Verwaltungsratspräsident Etienne Jornod, an Chefredaktor Eric Gujer sowie an Feuilletonchef René Scheu gewandt. Sie hätten wiederholt «die Ehre und das Vergnügen» gehabt, für das Feuilleton der «Neuen Zürcher Zeitung» zu schreiben, stellen die Unterzeichnenden einleitend fest. Die Entlassung von Redaktor Uwe Justus Wenzel, der ihre Beiträge betreut habe, erfülle sie mit Sorge. Das Feuilleton habe in den letzten zwei Jahren einen massiven Aderlass erlebt. Die Texte origineller RedaktorInnen würden durch die Übersetzungen fremdsprachiger Beiträge ersetzt.

«Unser Eindruck ist aber, dass die personellen Entscheidungen nicht allein auf ökonomische Zwänge zurückzuführen sind», heisst es im Protestbrief der AkademikerInnen weiter. Einigen der Unterzeichnenden würden sie als politische Öffnung am rechten Rand erscheinen, hin zu einem «bemüht unkonventionellen Libertarismus». Es bestehe die Befürchtung, «dass die Horizonte verengt werden, das Niveau sinkt und damit die Strahlkraft der einzigen Schweizer Zeitung von internationaler Bedeutung nachhaltig eingeschränkt wird».

Der Protestbrief, den das Medienportal «Persönlich» veröffentlicht hat, ist von bekannten AkademikerInnen aus dem In- und Ausland unterzeichnet. Zu ihnen gehören die Erinnerungsforscherin Aleida Assmann von der Universität Konstanz, der Historiker Thomas Maissen vom Deutschen Historischen Institut in Paris, die Politikwissenschaftlerin Seyla Benhabib von der Yale University in New Haven, der Philosoph Georg Kohler von der Universität Zürich oder der Islamwissenschaftler Reinhard Schulze von der Universität Bern. Inzwischen hat die NZZ-Leitung auf die Kritik geantwortet, allerdings nicht öffentlich.

Der Protestbrief bestätigt, was aktive oder ehemalige MitarbeiterInnen der Zeitung in der letzten Ausgabe der WOZ äusserten: Auf der Redaktion der NZZ herrsche angesichts der zahlreichen Entlassungen und Kündigungen der letzten Zeit ein Klima der Angst. Der engmaschige Führungsstil des Chefredaktors schade dem offenen Geist der Zeitung und führe zu einem ideologisierten Kurs.

Nachtrag zum Artikel «NZZ: Die Angst geht um an der Falkenstrasse» in WOZ Nr. 41/2017 .