Agrarpolitik: Wer ist hier verrückt?

Nr. 45 –

Bundesrat Johann Schneider-Ammann bleibt sich treu. Schon im Juli machte er in der NZZ deutlich, wie er die bevorstehende Abstimmung über Ernährungssicherheit interpretierte: als «Schritt Richtung offene Märkte». Am 24. September sagten fast 79 Prozent an der Urne Ja zur sehr unklar formulierten Vorlage (siehe WOZ Nr. 35/2017 ). Schneider-Ammann legt das Ja in seinem Sinn aus. Am 1. November präsentierte er seine «Gesamtschau» zur Agrarpolitik.

Grössere Höfe, weniger Grenzschutz: So lässt sie sich zusammenfassen. «Unsere Volkswirtschaft verdient die Hälfte des Bruttoinlandsprodukts im internationalen Handel.» Für die geplanten Freihandelsabkommen müsse die Landwirtschaft darum Konzessionen machen. Kein Wunder: Der Bundesrat strebt Abkommen mit den Mercosur-Staaten (Argentinien, Brasilien, Uruguay und Paraguay), mit Malaysia und Indonesien an. Die einen wollen Fleisch, die anderen Palmöl exportieren.

Dass die Schweizer Landwirtschaft, die nicht einmal mehr ein Prozent des Bruttoinlandsprodukts erwirtschaftet und erst noch von Direktzahlungen abhängig ist, der Exportnation Schweiz im Weg steht, ist aus klassisch ökonomischer Sicht verrückt. Aber ist vielleicht die klassisch ökonomische Sicht verrückt? Am Montag hat die Klimakonferenz in Bonn begonnen. Um die Erwärmung unter zwei Grad zu halten, ist eine radikale Transformation der Wirtschaft nötig (vgl. «2038 muss das Benzin verschwunden sein» ).

Gelingt die Transformation nicht, werden die Umweltprobleme und Ressourcenkonflikte über kurz oder lang so gross, dass Teile der globalisierten Wirtschaft zusammenbrechen. Den globalen Handel, der zum reinen Selbstzweck verkommen ist, wird es in der heutigen Form weder im positiven noch im negativen Szenario geben. Die Wirtschaft wird auf regionale Kreisläufe setzen müssen, und die Landwirtschaft wird darin eine wichtige Rolle spielen.

Dazu braucht es aber mehr Menschen, die mit dem Boden arbeiten, nicht weniger. Es braucht Bioforschung und kluge Lowtechstrategien, nicht Abhängigkeit von Hightech und externen Inputs; es braucht mehr regionale Märkte, weniger globale. Schneider-Ammanns «Lösungen» sind nicht nur langweilig, sie sind auch gefährlich.