Medienmarkt: Natalie Ricklis Kehrtwende

Nr. 45 –

SVP-Nationalrätin Natalie Rickli kämpft seit Jahren an vorderster Front gegen die SRG. Von «No Billag» hatte sie sich allerdings bislang abgegrenzt. Nun setzt Rickli doch auf die Initiative – mit Kalkül.

Wählt man die Nummer neben Natalie Ricklis Lächeln, landet man bei der freundlichen Stimme eines Telefonbeantworters. Die SVP-Nationalrätin ist zu beschäftigt, um für ihren Arbeitgeber das Telefon abzunehmen. Während ihrer gesamten bisherigen Nationalratskarriere war Rickli bei Goldbach Media angestellt, einem Medienkonzern, der sein Geld vor allem mit dem Verkauf von Sendezeit in den Schweizer Werbefenstern deutscher Privatsender verdient.

Im September hat Rickli angekündigt, auf Ende 2017 ihren Goldbach-Job nach zwölf Jahren aufzugeben, ein Entscheid, der kaum Reaktionen auslöste. Dabei kommt er zu einem brisanten Zeitpunkt: Mit der No-Billag-Initiative, über die wir am 4. März 2018 abstimmen werden, spitzt sich die Debatte um die Liberalisierung des Schweizer Medienmarkts zu. Wappnet sich Rickli, die seit ihrer Wahl in den Nationalrat im Jahr 2007 an vorderster Front gegen die SRG kämpft, also für den Showdown?

Rickli sitzt seit 2007 auch in der Kommission für Verkehr und Fernmeldewesen (KVF), seit 2015 ist sie deren Präsidentin. Das gleichzeitige Engagement als «Partner Relation Manager» bei Goldbach Media brachte Rickli viel Kritik ein, schliesslich ist die Interessenlage eindeutig: Natalie Ricklis Arbeitgeberin würde von einer Schwächung oder Zerschlagung der SRG am meisten profitieren. Der Marktanteil ausländischer Privatsender würde steigen, das Geschäft mit deren Werbefenstern angekurbelt werden. Nicht nur in der KVF setzte sich Rickli für die Interessen der Privatsender ein. Sie ist auch Präsidentin der Aktion Medienfreiheit, des neoliberalen Verbands, der politisch und wirtschaftlich gegen gebührenfinanzierte Medien lobbyiert.

Drohung wahr gemacht

Von den InitiantInnen der No-Billag-Initiative um den libertären Querschläger Olivier Kessler grenzten sich Rickli und ihre MitstreiterInnen stets ab. Die Initiative sei ihr zu extrem, lässt sich Rickli gerne zitieren. Sie selbst kämpfte in Bern zwar nicht für die Abschaffung, jedoch für die Halbierung der Billag-Gebühren: ein Vorhaben, das der SRG ausreichend Schaden zufügen würde, jedoch weit harmloser daherkommt. Rickli spricht – rhetorisch geschickt – lieber von der «Eindämmung» der SRG als von ihrer Abschaffung.

Dass sie jedoch ähnliche Ziele verfolgt wie die No-Billag-InitiantInnen, sagte sie in einer Rede vor dem Parlament: Das Motiv der InitiantInnen sei löblich, denn staatliche Medienfinanzierung sei in einer Demokratie ein Unding. Zwar sagte sie damals noch: «Das Anliegen ist realpolitisch einfach nicht durchsetzbar», dennoch liebäugelte sie mit der Initiative. Etwa als sie vor zwei Jahren, während der Debatte um die Revision des Radio- und Fernsehgesetzes RTVG, in der «Arena» auftrat. Natalie Rickli stellte sich im «Prüfstand» einer Westschweizer Journalistin. Am Ende der Fragerunde sprach die SVP-Nationalrätin eine Drohung aus: «Ihr müsst uns entgegenkommen, sonst bin ich dann irgendwann für ‹No Billag›.»

Nun hat Rickli ihre Drohung wahr gemacht: Sie stimmte der Initiative in der Herbstsession zu. Dies, nachdem der Gegenvorschlag ihres medienpolitischen Mitstreiters Gregor Rutz bei den anderen Parteien klar durchgefallen war. Mit Rutz und Rickli stimmten 30 weitere SVP-NationalrätInnen für «No Billag», 6 stimmten Nein, und 26 enthielten sich. Die Kehrtwende ist den SVP-WählerInnen leicht zu verkaufen: Das Parlament sei zu keinerlei vernünftigem Kompromiss bereit gewesen. Nun gehe es halt um alles oder nichts, und damit bleibe einem nichts anderes übrig, als zwangsläufig die No-Billag-Initiative zu unterstützen. Natalie Rickli hat in dieser Konstellation eine komfortable Position: Sie kann sich während der No-Billag-Kampagne vornehm zurückhalten und gleichzeitig auf einen möglichst hohen Ja-Anteil hoffen. «Natalie Rickli glaubt sicher nicht, dass die Initiative angenommen wird», sagt ein KVF-Mitglied. «Aber wenn ‹No Billag› viele Ja-Stimmen holt, erhöht das den Druck für ihre eigene Initiative.» Tatsächlich hat Rickli bereits angekündigt, im Fall einer Niederlage mit Gregor Rutz eine neue Initiative zu starten. Diese werde sich am gescheiterten Gegenvorschlag orientieren und eine Obergrenze der Billag-Gebühren verlangen.

Der ideale Zeitpunkt

Ricklis Abgang bei Goldbach muss wohl auch vor diesem Hintergrund verstanden werden. «Ob er nun genau getimt ist oder nicht», sagt das KVF-Mitglied, «Tatsache ist, dass sie im Abstimmungskampf nun in die Vollen gehen kann, weil man ihr keine Lobbyinteressen mehr vorwerfen kann.» Auch Ricklis Amtszeit als KVF-Präsidentin läuft Ende des Jahres aus. «Dann wäre für sie also der ideale Zeitpunkt, um sich dem Kampf gegen die SRG zu widmen.» Rickli selbst streitet freilich jeden Zusammenhang ab. Sie wolle sich einfach beruflich neu orientieren, politische Motive hätten beim Entscheid keine Rolle gespielt. Auch bei der Goldbach Media AG heisst es: «Frau Rickli hat ihr politisches Engagement stets sauber von der Arbeit in unserem Betrieb getrennt.»