Simbabwe: Der Tanz der autoritären Befreier

Nr. 47 –

Die 37-jährige Herrschaft Robert Mugabes war ein Modellfall dafür, wie im südlichen Afrika einstige Unabhängigkeitskämpfer autoritäre Regimes aufgebaut haben. Ob das in Simbabwe nun anders wird, hängt auch von China ab.

In Simbabwe hat am Dienstagnachmittag eine kuriose Woche mit einem ebenso kuriosen Schlusspunkt geendet: Er habe sich freiwillig zum Rücktritt vom Präsidentenamt entschieden, lässt Robert Mugabe in einer schriftlichen Erklärung verlauten. Dies, nachdem er sich seit dem Militärputsch vom 15. November stoisch uneinsichtig gezeigt hat und noch am Sonntag in einer Fernsehansprache die Tatsache ignorierte, dass er vom eigenen engsten Machtzirkel fallen gelassen worden war. Als Gründe für den Rücktritt führt er nun seine Sorge «um das Wohlergehen der Menschen in Simbabwe» an sowie den «Wunsch, einen sanften, friedlichen und gewaltlosen Machtwechsel» zu ermöglichen.

Verpokert

Als Nachfolger soll Emmerson Mnangagwa vereidigt werden, den Mugabe vor zwei Wochen als Vizepräsidenten entlassen hatte. Seit Sonntag ist Mnangagwa neuer Vorsitzender der Regierungspartei, der Zanu-PF. Letztlich haben sich Robert Mugabe und seine Gattin Grace innerhalb des Machtapparats verpokert, den Mugabe einst selbst aufgebaut hatte und 37 Jahre lang zu kontrollieren vermochte.

Das Machtgefüge aus Zanu-PF und Sicherheitsapparat wird nun ohne die Mugabes weiterfunktionieren – und dürfte dabei auf gewohnte autoritäre Rezepte setzen: auf die Einschränkung von Meinungsäusserungs- und Pressefreiheit, auf das gewaltsame Vorgehen gegen Oppositionelle, auf die Manipulation von Wahlen, auf einen willfährigen Umgang mit der Verfassung. Die demokratische Partizipation der rund dreizehn Millionen SimbabwerInnen ist in diesem System nicht vorgesehen.

Während der gesamten 37 Jahre als Staatsoberhaupt führte Mugabe seinen Machtanspruch auf den bewaffneten Unabhängigkeitskampf zurück, den er mit seinen Mitstreitern einst gegen die weisse Minderheitsregierung im damaligen Rhodesien geführt hatte. Wann immer die Legitimation seiner Staatsführung infrage gestellt war, berief er sich in populistischer Manier auf dieses Vermächtnis, das ihm angeblich fremdgesteuerte Kontrahenten zu entreissen trachteten. Besonders seit der Jahrtausendwende, als mit dem MDC (Movement for Democratic Change) eine ernsthafte Konkurrenz zu seiner Zanu-PF aufkam. Dessen Gründer und Anführer Morgan Tsvangirai hatte als langjähriger Gewerkschaftsführer zwar seine politische Basis nicht zuletzt unter schwarzen ArbeiterInnen, doch Mugabe verunglimpfte ihn als Zudiener weisser Partikularinteressen.

Machtpolitisch steht Mugabe im südlichen Afrika nicht alleine da. In der gesamten Region setzte die Phase der Dekolonialisierung vergleichsweise spät ein; erst gegen Ende der sechziger Jahre überwanden die ersten Länder die Kolonialherrschaft. Vielerorts war der Übergang nur mit gewaltsamen Mitteln möglich, und zuweilen mündete er in verheerende Bürgerkriege. In einer ganzen Reihe dieser Länder stellen ehemalige Befreiungsbewegungen bis heute die Staatsregierung: der ANC in Südafrika etwa, die Swapo in Namibia, der MPLA in Angola oder der Frelimo in Moçambique.

Zwischen diesen sozialistisch geprägten Bewegungen gibt es in der verschlungenen Unabhängigkeitsgeschichte des südlichen Afrika viele Berührungspunkte. Teils haben sie gemeinsam und grenzübergreifend gegen die weisse Vorherrschaft gekämpft – und diese Allianzen halten bis heute. Das zeigt sich vor allem dann, wenn sich die alternden Befreier gegenseitig in ihrem Machtanspruch bestärken. So sagte etwa Hage Geingob 2015 nach seiner Wahl zum Präsidenten Namibias, er erachte Robert Mugabe als sein Vorbild. Geingob war für die Swapo zuvor bereits zweimal während insgesamt fünfzehn Jahren Premierminister gewesen.

Zwei Rhodesien, zwei Wege

Und doch bestehen grosse Unterschiede zwischen den Regierungsformen, die sich im Zuge der Unabhängigkeit in den Ländern des südlichen Afrika herausbildeten. Ein entscheidender Faktor war dabei oft, ob die Dekolonialisierung auf kriegerischem oder friedlichem Weg stattfand. Einen interessanten Vergleich bietet das Nachbarland Sambia, mit dem Simbabwe einen Teil seiner Kolonialgeschichte teilt: Das britische Protektorat Nordrhodesien wurde 1953 mit der Kronkolonie Südrhodesien zur Föderation von Rhodesien und Njassaland vereint. Während Nordrhodesien aber 1964 in die Unabhängigkeit entlassen wurde (wodurch Sambia entstand), liess dies Britannien für Südrhodesien nicht zu. Denn dort waren die weissen SiedlerInnen (rund vier Prozent der Bevölkerung) nicht bereit, die schwarze Bevölkerung regieren zu lassen. Unter dem rassistischen Regierungschef Ian Smith erklärte die Kolonie unter dem Namen Rhodesien 1965 einseitig die Unabhängigkeit von Britannien.

Während sich in Sambia unter dem sozialistischen Präsidenten Kenneth Kaunda langsam ein Einparteiensystem etablierte, schlitterte Rhodesien 1972 in einen Bürgerkrieg, der bis zum Ende des Jahrzehnts rund 20 000 Tote forderte. Die weisse Minderheitsregierung wurde weltweit von vielen Regierungen zumindest offiziell geächtet; die Schweiz war eines der wenigen Länder, die mit Rhodesien Handel betrieben. In der Region boten das Südafrika zur Zeit der Apartheid sowie Portugal, das in Angola und Moçambique noch immer koloniale Interessen verfolgte, Rhodesien dennoch einen gewissen Rückhalt. Den Kampf gegen die teils kommunistisch beeinflussten Guerillabewegungen Zanu und Zapu konnte das weisse Rhodesien indes nicht gewinnen. 1980 wurde unter dem frisch gewählten Präsidenten Mugabe das unabhängige Simbabwe ausgerufen – anerkannt von Britannien, das nominell bis dahin noch immer Kolonialmacht war.

Am letzten Wochenende soll Kenneth Kaunda aus Sambia nach Simbabwe geflogen sein, um Robert Mugabe im persönlichen Gespräch zum Rücktritt zu bewegen. Ihn verbindet einiges mit Mugabe: Auch er ist mittlerweile 93 Jahre alt, auch er hat einst als sozialistischer Präsident ein Land in die Unabhängigkeit geführt. Auch er blieb lange Zeit, 27 Jahre, Staatsoberhaupt und offenbarte dabei zunehmend autoritäre Züge.

An diesem Punkt jedoch findet sich der entscheidende Unterschied: Im Zuge grosser Proteste gegen seine Staatsführung liess Kaunda schliesslich den Übergang zu einem Mehrparteiensystem zu. 1991 akzeptierte er seine Abwahl und ebnete damit Sambias Weg in eine pluralistische Demokratie. Diese steht derzeit zwar unter beträchtlichem Druck, weil Präsident Edgar Lungu gerade dabei ist, Grundrechte einzuschränken (siehe WOZ Nr. 32/2017 ). Doch konnten die SambierInnen mittlerweile schon mehrfach die Erfahrung machen, dass sich ihre Präsidenten mit politischen Mitteln in die Schranken weisen liessen. Ähnliches blieb der simbabwischen Bevölkerung verwehrt: Das Regime, das einst durch Waffengewalt an die Macht gekommen war, hat sich diese stets mit den jeweils nötigen Mitteln erhalten.

Nun aber scheint die Furcht vor staatlicher Repression endlich verflogen. Zu Tausenden feiern die SimbabwerInnen auf den Strassen das Ende der Ära Mugabe. Das Militär lässt sie gewähren, die Bilder aus Harare und anderen grösseren Städten gleichen einem grossen Volksfest – zumindest so lange, wie sich die Parolen einzig gegen den abgesägten Despoten richten. Doch gegen welche Widerstände werden sie ihre Forderungen nach einem Rechtsstaat und nach Demokratie durchsetzen müssen, wenn die euphorische Einhelligkeit vorbei ist? Einmal mehr dürften in dieser Frage externe Interessen eine zentrale Rolle spielen.

Der Einfluss Chinas

Die Unabhängigkeitskriege im südlichen Afrika wurden auch vor dem Hintergrund des Kalten Kriegs ausgefochten: Viele der damaligen Guerillagruppen erhielten sowjetische, chinesische, kubanische oder auch nordkoreanische Unterstützung. So hatte sich an der Machtübernahme der Zanu-PF 1980 auch China beteiligt. Bis heute unterhalten die beiden Länder enge diplomatische und wirtschaftliche Beziehungen. Vor allem seit der umstrittenen Landreform ab dem Jahr 2000 und der manipulierten Präsidentschaftswahl von 2002, auf die etwa die EU mit Sanktionen gegen das Regime reagierte, propagierte Mugabe seine «Look East»-Strategie mit Nachdruck: die partnerschaftliche Ausrichtung nach China und damit die Abwendung vom Westen.

Heute verfügt China unter anderem via seine Staatsbank Exim über das grösste Investitionsvolumen in Simbabwe, mit milliardenhohen Beteiligungen in fast allen Wirtschaftssektoren. Das Handelsvolumen zwischen den beiden Ländern betrug im letzten Jahr 1,1 Milliarden US-Dollar, wobei Simbabwe jedoch in einem Abhängigkeitsverhältnis feststeckt. China ist der grösste Tabakabnehmer des Landes und importiert daneben auch Baumwolle und Mineralien. Gleichzeitig kauft Simbabwe vor allem Elektronik und andere Fertigfabrikate und bezieht seit je militärische Güter, Überwachungs- und Sicherheitsinfrastruktur aus China. Unter dem Strich besteht für Simbabwe ein gigantisches Handelsdefizit.

Der Verlauf der jüngsten Ereignisse lässt darauf schliessen, dass China den Putsch des simbabwischen Militärs geduldet oder gar gefördert hat. Denn bloss zwei Tage vor der Festsetzung Mugabes war Armeechef Constantino Chiwenga von einer Reise nach Beijing zurückgekehrt, wo er ranghohe Militärs getroffen hatte. Über den Inhalt der Gespräche wurde bisher nichts bekannt. Eindeutig hat China ein grosses Interesse an politischer und wirtschaftlicher Stabilität in Simbabwe: Nicht anders als westliche Regierungen wünscht sich Beijing im Land mit den riesigen Rohstoffvorkommen und dem bedeutsamen agrarischen Potenzial zuallererst ein günstiges Investitionsklima. Davon ist Simbabwe aber schon seit zehn Jahren meilenweit entfernt. Es ist naheliegend, dass die chinesische Führung letztlich deshalb ihren Daumen über Mugabe gesenkt hat.

Kein Geheimnis ist auch, dass autoritäre Staatsformen für ein stabiles Investitionsklima nicht zwingend ein Hindernis darstellen. Dem 75-jährigen Emmerson Mnangagwa wird wesentlich mehr ökonomische Fachkompetenz zugesprochen als seinem Vorgänger, was das Land für ausländisches Kapital attraktiver macht. Gegen innen wird der simbabwische Machtapparat mit ihm aber unverändert weiterexistieren können, wohl sogar in gestärkter Form. So kommt der Abgang Mugabes eher einer Konsolidierung der alten Machtstrukturen denn einem echten Wandel gleich – womit die demokratische Mitsprache der simbabwischen Bevölkerung wieder auf unbestimmte Zeit aufgeschoben ist.