Basel-Stadt: Störgeräusche im Burgfrieden

Nr. 50 –

Seit 2004 ist die Stadtbasler Regierung mehrheitlich rot-grün. An ihrer Nähe zu den grossen Pharmakonzernen hat sich seither nicht viel geändert. Ein Vorstoss aber zeigt: Teile von SP und Grünen hinterfragen die Harmonie.

Der Kaffee im Café des Basler Rathauses trägt kein Fairtrade-Label. Das weiss SP-Grossrätin Toya Krummenacher, seit sie in einer Pause der Grossratssitzung am ersten Dezembermittwoch an der Theke nachfragte – mitten im Gespräch mit der WOZ über einen Vorstoss, der die Basler Regierung zu mehr kritischer Distanz gegenüber den im Stadtkanton ansässigen multinationalen (Pharma-)Unternehmen auffordert.

Es geht um eine Grundsatzfrage: Wie viel Transparenz brauchen KonsumentInnen, WählerInnen – und in diesem Fall GrossrätInnen –, um Entscheidungen zu treffen? Um diesen Grundsatz geht es Krummenacher auch im besagten Vorstoss, den sie als eine von zwei SozialdemokratInnen mitunterzeichnet hat. «Natürlich sind sich die Unternehmen bewusst, dass Konsumenten umdenken! Sie setzen ja auf Corporate Responsibility. Aber ich weiss von der Gewerkschaftsarbeit, dass Freiwilligkeit meist scheitert. Es braucht eine Verpflichtung zur Transparenz, damit die Konsumenten entscheiden können.»

Reine Symbolpolitik?

Der Vorstoss der BastA!-Grossrätin Tonja Zürcher fordert die Regierung dazu auf, die kritiklose Haltung gegenüber den mächtigen Steuerzahlern Syngenta, Novartis und Roche zu überprüfen. Weiter verlangt er Transparenz im Hinblick auf etwaige von den Unternehmen verantwortete Menschenrechtsverletzungen und Umweltzerstörungen. «Die Regierung wäre glaubwürdiger, wenn sie die negativen Folgen unseres Wohlstands zumindest ansprechen würde», sagt Zürcher. Seit 2004 hat Rot-Grün in der Basler Regierung eine Mehrheit. Der Vorstoss zielt also auf die RegierungsvertreterInnen von SP und Grünen.

Spätestens seit publik geworden ist, dass der Agrochemie-Multi Syngenta die Basler Ausstellung an der Expo Milano 2015 sponserte, nimmt die linke Kritik an der Regierungsnähe zur Pharma zu: Ende 2014 gründete sich die Basler Regionalgruppe der NGO Multiwatch, 2016 publizierte Multiwatch das «Schwarzbuch Syngenta». Seit 2015 demonstrieren jedes Jahr rund 3000 Leute am Basler «March against Monsanto and Syngenta», 2017 hielt dabei erstmals ein Sozialdemokrat, der frisch gewählte Vizepräsident Beda Baumgartner, eine Rede. Der Grosse Rat jedoch ist bürgerlich dominiert. Nur schon deshalb ist Zürchers Vorstoss chancenlos. Unterstützt wird er einzig vom Grünen Bündnis, der Fraktion von Grünen und der alternativen BastA!; die SP hat Stimmfreigabe beschlossen. «Wir verurteilen sämtliche Menschenrechtsverletzungen. In der Diskussion wurde aber nicht klar, was aus dem Vorstoss hervorgehen könnte ausser Symbolpolitik», meint der ebenfalls dieses Jahr ins Parteiamt gewählte SP-Präsident Pascal Pfister. Bezüglich Syngenta sei zudem noch in der Schwebe, was der diesjährige Verkauf des Konzerns an das chinesische Staatsunternehmen ChemChina langfristig bedeuten werde. Krummenacher, Zürcher und Pfister sehen in der Konzernverantwortungsinitiative jenes Projekt, das über symbolische Zeichen hinausgeht.

Die drei SP-VertreterInnen in der Regierung gelten als wirtschaftsnah, was in Basel gleichbedeutend mit Nähe zur Pharma ist. Finanzdirektorin Eva Herzog kämpfte an vorderster Front für die später an der Urne verworfene Unternehmenssteuerreform III. Noch bevor die Neuauflage unter dem Namen «Steuerreform 17» im nationalen Parlament beraten wurde, exponierte sie sich kürzlich mit einem lokalen Umsetzungsplan für die neue Vorlage. 2009 erinnerte Baudirektor Hans-Peter Wessels kurz nach seiner Wahl in die Regierung in der NZZ daran, wie informelle Gespräche «auf höchster Ebene» zwischen der SP und der Pharmaindustrie zu einem entspannteren Verhältnis geführt hatten. Und der heutige Wirtschaftsdirektor Christoph Brutschin war schon 1995 daran beteiligt, die SP auf einen wirtschaftsfreundlichen Kurs zu trimmen. Damals arbeitete er am SP-Positionspapier «Wirtschaftsleitbild Nordwestschweiz» mit, das neun Jahre nach dem katastrophalen Schweizerhalle-Grossbrand «Massnahmen zur Steigerung der Attraktivität für Wirtschaftsunternehmen» forderte.

Absage per Mail

Der Vorstoss war für die Grossratssitzung vom 6. Dezember traktandiert. Die WOZ stellte den Regierungsmitgliedern im Vorfeld dazu folgende Fragen:

«Gibt es einen Graben zwischen Ihrer Regierung und einem Teil der Partei? Welche Folgen wären zu erwarten, wenn die Basler Regierung auf eine Transparenz im Sinne des Vorstosses setzen würde? Was unternimmt die Basler Regierung, damit arbeitsrechtliche UNO/ILO-Standards und ökologische Minimalstandards von multinationalen Unternehmen mit Hauptsitz in Basel weltweit eingehalten werden?»

Die grüne Regierungspräsidentin Elisabeth Ackermann teilte mit, sie kommentiere keine Vorstösse, die noch nicht im Rat behandelt worden seien.

Die Sitzung dauerte bis 18 Uhr, ohne dass der Vorstoss behandelt werden konnte. Um 18.20 Uhr beantwortete Regierungsrat Brutschin die Anfrage der WOZ mit «Danke für Ihr Mail, das ich mit Interesse gelesen habe. Auf Suggestivfragen antworte ich in der Regel nicht – so auch hier.» Acht Minuten später ergänzte Wessels, er habe sinngemäss dasselbe antworten wollen. Kurz darauf dann Herzog: «Die Antwort von Christoph Brutschin ist ausgezeichnet.» Transparent sind die Basler SP-RegierungsrätInnen immerhin schon mal in ihrer Haltung gegenüber kritischen Fragen.