Fussball und andere Randsportarten: Ein erster Hieb per Lautsprecher

Nr. 50 –

Etrit Hasler musste sich über Sportradios belehren lassen

Die Idee, Sportarten für Menschen zu übertragen, die es nicht selber ins Stadion geschafft haben, ist wohl so alt wie der moderne Sport selbst: In Kanada wurden Eishockeyspiele seit den 1890er Jahren via Telegraf übertragen. Auch in den USA fand die Technologie schnell Anwendung, wenn auch mit publikumsgerechteren Modifikationen: So wurde zum Beispiel das College Derby zwischen den Kansas Jayhawks und den Missouri Tigers 1911 mit einer eigens erstellten Telegrafenlinie ins knapp 200 Kilometer entfernte Lawrence, Kansas, übertragen, wo knapp tausend Leute zuschauen konnten, wie der Spielverlauf aufgrund der übermittelten Informationen auf einem übergrossen Modell eines Spielfelds nachgestellt wurde.

Die erste Übertragung einer Sportveranstaltung am Radio folgte wenig später, nur ein Jahr nach Gründung der ersten kommerziellen Radiostation der Welt. Es war der Pittsburgher Sender KDKA, der am 11. April 1921 einen Boxkampf live kommentierte. Der Sender begann wenige Monate später, die Baseballspiele der Pittsburgh Pirates zu übertragen – eine Tradition, die der Sender bis 2007 aufrechterhielt, als er die Rechte an einen lokalen Konkurrenzsender verlor.

Die Berichterstattung via Radio genügte den Bedürfnissen des Publikums jedoch nur bedingt – so sah sich die britische BBC gezwungen, ihre Übertragungen zu unterstützen, indem sie zusammen mit dem Radioprogramm einen nach Zahlen und Buchstaben kodierten Plan des Spielfelds abdrucken liess, damit die Zuhörenden nachvollziehen konnten, wo auf dem Platz sich das Geschehen abspielte. Nichtsdestotrotz ergriff das Radiofieber schnell den Rest der Welt. In der Schweiz wurde 1924 das erste Fussballspiel übertragen: der Final an den Olympischen Spielen in Paris gegen Uruguay, den die Nati mit 0 : 3 verlor.

Die Übertragung von Sportveranstaltungen via Fernseher war im Vergleich dazu ein Quantensprung – und es überrascht wenig, dass es ausgerechnet die olympischen Propagandaspiele 1936 in Berlin waren, die diesen Meilenstein setzten. Bis sich die Technologie etablierte, dauerte es jedoch noch einmal zwanzig Jahre: So musste die erste Übertragung eines Fussballspiels zwischen dem Barnet FC und Wealdstone durch die BBC 1946 in der zweiten Halbzeit abgebrochen werden, weil zu wenig Licht für die Kameras vorhanden war. In der Schweiz wurde erst 1954 das erste Spiel live übertragen: ein Freundschaftsspiel gegen Deutschland. Die Partie diente als Probelauf für den ersten WM-Final, den man live am Fernsehen verfolgen konnte: das famose «Wunder von Bern».

In der Schweiz ersetzte das Fernsehen zunehmend das Radio. Insbesondere die Übertragung ganzer Spiele wurde zur Seltenheit. Allerdings – und hier muss ich mich wohl für einen Satz entschuldigen, der mir vor zwei Wochen herausgerutscht ist – ist es nicht so, dass «die Zeiten von Radioübertragungen endgültig vorbei» sind. Denn Radio ist im Unterschied zum Telegrafen kaum totzukriegen.

Spätestens seit es die Möglichkeit gibt, Radiosignale online weltweit und relativ unkompliziert zu verbreiten, haben sich Radioaficionados aller Regionen zurückgemeldet. So startete der spätere Geschäftsführer von Teleclub (und heutige Geschäftsführer des EHC Arosa), Adrian Fetscherin, seine Medienkarriere mit einem Internetportal namens sportradio.ch, das erfolgreich genug war, um 2008 von der Swisscom aufgekauft und geschlossen zu werden – in der Hoffnung, mehr Kundschaft für kostenpflichtige Angebote zu gewinnen. Und nicht zuletzt weichen SportliebhaberInnen wieder aufs Radio aus, wenn sie vom Fernsehen verachtet werden – so zum Beispiel im Jura, wo die Spiele des SR Delémont seit dem Abstieg in die 1. Liga im Lokalradio übertragen werden. In voller Länge und – wie mir versichert wird – mit überpurzelnder Begeisterung. Oder in Bern, wo Fans seit 2009 mit Radio Gelb-Schwarz «das vermutlich weltweit kompetenteste Fussballradio der Gegenwart» (Pedro Lenz) betreiben.

Etrit Hasler ist ehemaliger Radioredaktor und möchte klarstellen, dass der zitierte Satz Ausdruck einer launigen Nostalgie war und nicht seiner Geringschätzung des Mediums.