Gesundheitswesen: Kinder heilen lohnt sich nicht

Nr. 50 –

Kinder sind unrentable Kranke. Es braucht zu viel Zeit, um ihnen zu erklären, warum sie eine Spritze brauchen. Es müssen mehr Röntgenbilder gemacht werden als bei Erwachsenen, um herauszufinden, was ihnen fehlt. Und dann müssen die ÄrztInnen noch langwierige Gespräche mit den Eltern führen, um diese zu beruhigen. In einer effizient organisierten Medizin dürften Kinder nicht schwer krank sein – weil es zu aufwendig und zu teuer ist. Das klingt zynisch, ist aber ökonomische Realität. Die drei Schweizer Kinderspitäler arbeiten im ambulanten Bereich heute schon arg defizitär. Sie weisen einen Kostendeckungsgrad von 66 bis 78 Prozent aus. An den KinderärztInnen liegt es nicht, sie verdienen von allen FachärztInnen am wenigsten. Nur KinderpsychiaterInnen verdienen noch weniger.

Der Bundesrat will den Tarmed, den Tarif für die Abrechnung ambulanter medizinischer Leistungen, revidieren, um Millionen zu sparen. Eine ärztliche Konsultation soll dann zum Beispiel nur noch 20 Minuten dauern dürfen. Heute liege die durchschnittliche Behandlungszeit bei 33 Minuten, schreibt Allkids, die Allianz Kinderspitäler der Schweiz: «Gewissenhafte Abklärungen und Aktenstudium beanspruchen bei spezialärztlichen Fällen ohne weiteres ein bis zwei Stunden.» Das wird dann einfach nicht bezahlt. Der Kostendeckungsgrad der Kinderspitäler wird weiter absacken.

«Wir leben in einer Zeit, in der die Identität der Kinder- und Jugendmedizin weggespült zu werden droht, denn die moderne Medizin wird heute vollkommen unreflektiert nach dem Modell der industriellen Produktion gesteuert und nach rein ökonomischen Gesichtspunkten bewertet», konstatiert Medizinethiker Giovanni Maio in der Zeitschrift «Kinder- und Jugendarzt».

SP-Nationalrätin Bea Heim nimmt den Faden auf und verlangt in einer Motion, die sie noch in dieser Session einreichen wird, dass der Bund erforscht, welche Schäden die Ökonomisierung der Kinderheilkunde anrichtet. Ihre Motion verlangt ausserdem, dass der Bundesrat «die nötigen Verbesserungen in die Wege» leitet – damit kranke Kinder nicht zu lästigen Stückzahlen verkommen.