Türkisblaues Österreich: Es kommt zusammen, was zusammengehört

Nr. 50 –

Gute Laune bei der ÖVP und der rechtsnationalen FPÖ. Egal ob es um Arbeitszeiten, AusländerInnen, Schulnoten oder Rauchen geht: Man ist sich einig. Die rechte Kuschelkoalition kommt.

Österreich bleibt ein Paradies für RaucherInnen. So lautet die jüngste Verlautbarung aus dem Palais Eschenbach an der Wiener Ringstrasse, wo sich die Regierungsverhandlungen zwischen der konservativen ÖVP und der rechtsnationalen FPÖ offenbar auf der Zielgeraden befinden. Zumindest bis Brüssel ein Machtwort spricht, wird Rauchen in Lokalen erlaubt sein, die über einen vom Speiseraum abgegrenzten Bereich verfügen. Das für kommenden Mai vorgesehene absolute Rauchverbot in Gaststuben, Bars und Kneipen wird gekippt. FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache, selbst ein starker Raucher, hat sich durchgesetzt.

Damit wird ein weiteres Projekt der alten rot-schwarzen Regierung entsorgt. Überhaupt erwecken die Verhandlungsführer Sebastian Kurz (ÖVP) und Heinz-Christian Strache den Eindruck, als hätten sich zwei gefunden, um das Land endlich in die Vergangenheit zu führen. Bei der Bildung etwa sollen Reformschritte, die von den SozialdemokratInnen mühsam gegen die ÖVP durchgesetzt wurden, wieder ungeschehen gemacht werden. Gymnasien sollen Schulen der Bildungselite bleiben, indem Versuche, die frühe Trennung nach vier Klassen Volksschule zu überwinden, eingestellt werden. Kinder, die vor der Einschulung nicht ausreichend Deutsch sprechen, werden separiert, und Ziffernnoten schon ab der ersten Volksschulklasse werden zur Pflicht.

Alte Tante im neuen Kleid

Eine ähnlich rabiate Zielstrebigkeit legt die neue Koalition auf dem Arbeitsmarkt an den Tag. Per Bundesgesetz soll verordnet werden, was die Gewerkschaften bisher erfolgreich abwehren konnten: die maximale Flexibilität am Arbeitsplatz, wo auch der Zwölfstundentag im Bedarfsfall Einzug halten wird. Nicht gegen Überstundengeld, sondern auf Zeitausgleich.

Im Wahlkampf hat der 31-jährige Sebastian Kurz der traditionell schwarz tragenden alten Tante ÖVP im Wahlkampf ein türkisfarbenes Kleidchen übergezogen und mit Wahlslogans wie «Zeit für den Wandel» und «Wann, wenn nicht jetzt?» Aufbruch signalisiert. Erfolgreich schürte die Partei gleichzeitig Ängste vor Asylsuchenden und ImmigrantInnen, um sie gleich selbst mit Rechtsaussenparolen zu bedienen. Etikettenschwindel und Angstmache haben funktioniert: Mit 31,5 Prozent der Stimmen katapultierte Kurz seine Partei bei den Nationalratswahlen am 15. Oktober auf den ersten Platz. Die FPÖ, die jahrelang die Umfragen angeführt hatte, sah sich um die Meinungsführerschaft in der «Ausländerfrage» betrogen. Strache musste sich von seinen Kanzlerambitionen verabschieden. Doch liess sich dieser keinen Grimm anmerken, im Gegenteil: Aus den Koalitionsgesprächen kommen die beiden stets bestens gelaunt. Als wachse hier zusammen, was immer schon zusammengehörte.

Junges Kabinett mit alten Bekannten

Erwartungsgemäss konnten in der Migrationspolitik erste Einigungen – sprich: Verschärfungen – präsentiert werden. Und der Überwachungsstaat, dem die SPÖ noch einige Hürden entgegenstellte, rückt näher. Auch von einem «Ministerium für Heimatschutz» ist die Rede, dem Strache gerne vorstehen würde. Dahinter dürfte sich Banales verbergen: Ein paar Agenden sollen zusammengepackt werden, die zwar medienwirksame Auftritte erlauben, aber nicht allzu viel Zeit in Anspruch nehmen. Katastrophenschutz, vielleicht auch Sport könnten diese Kriterien erfüllen.

Zu den Ministerräten in Brüssel will Strache hingegen nicht zu oft fliegen. Denn dort sitzt seine FPÖ mit Marine Le Pen, Geert Wilders und anderen erklärten EU-FeindInnen in einer Fraktion. Darunter leidet der Anspruch der ÖVP, eine «Europapartei» zu sein. Es ist dies nicht die einzige Uneinigkeit mit dem künftigen Partner; besonders heikel ist etwa auch das Wahlversprechen der FPÖ, Österreich in eine direktere Demokratie zu verwandeln. Zwar kann auch Kurz verbindlichen Volksabstimmungen viel abgewinnen, doch will er die Hürde höher legen und Verfassungsänderungen sowie EU-Richtlinien thematisch ausschliessen.

Es riecht eher streng

Noch vor Weihnachten soll die neue Regierung vereidigt werden. Über Kabinettsposten wird angeblich erst zuletzt entschieden, wechselnde Listen machen medial die Runde. Vieles spricht dafür, dass Österreich das jüngste Kabinett seiner Geschichte bekommt; die Generation Kurz aus der Jungen ÖVP steht in den Startlöchern. Und auch Strache hält ein paar unverbrauchte Leute bereit, denen nicht der strenge Geruch deutschnationaler Studentenverbindungen anhaftet. Doch werden altbekannte Gesichter aus ebendieser Ecke die Koalition mitprägen: Fixstarter ist Norbert Hofer, der im letzten Jahr bei der Bundespräsidentschaftswahl erst in der Stichwahl scheiterte. Das angestrebte Aussenministerium ist für Hofer, Mitglied einer schlagenden Burschenschaft, aber zu heikel. Er dürfte stattdessen Infrastrukturminister werden. Als Chefdiplomatin hat Strache die parteilose Nahostexpertin Karin Kneissl vorgeschlagen, die mit seiner Rechtsaussentruppe schon länger keine Berührungsängste mehr zeigt.