Fussball und andere Randsportarten: Königin mit spitzen Pfeilen

Nr. 51 –

Etrit Hasler sucht nach Frauen bei der Darts-WM

Ende Jahr ist meine Lieblingszeit für Sport. Nicht nur ist das die einzige Zeit in diesem Land, in der man vor Fussball wenigstens ein paar Wochen Ruhe hat, sondern es ist auch die Zeit, die die Weltmeisterschaft in der vielleicht unterhaltsamsten Randsportart bringt: Darts. Okay, zugegeben, der zweitunterhaltsamsten. Hinter Sumo. Aber zu Mongolen in Unterhose gibt es nächstes Jahr wieder mehr.

Die Weltmeisterschaft dieser Kneipensportart für leicht angesäuselte Männer mit Bierbauch hat sich in den Jahren, seit sich der Profiverband PDC vom Amateurverband BDO abspaltete, zum absoluten Publikumsrenner entwickelt: Der 3000 Personen fassende Alexandra Palace in London ist bis zum letzten Platz ausverkauft, meist schon im Sommer, bevor das Turnier beginnt. Die Fanmassen machen sich einen Spass daraus, in allen möglichen vollkommen absurden Kostümen aufzutauchen: von wandelnden Bananen und Nonnen über Super Marios bis hin zu einer Gruppe Tauben, die es sich zum Ziel gemacht haben, jeden, der als etwas Essbares kostümiert ist, zu belagern.

Die Fangesänge («Boring, boring tables», «Don’t take me home» und, nicht zu vergessen, die Darthymne, «Chase the Sun», die auf einem Ennio-Morricone-Sample basiert) sind legendär und so laut, dass sie häufig jegliche Ankündigungen von der Bühne übertönen. Das Bier fliesst in Strömen – und dennoch ist Gewalt so gut wie unbekannt. Kein Wunder: «Es ist schwierig, ernsthaft eine Schlägerei anzufangen, wenn du als Nonne verkleidet bist», so eine Kommentatorin im «Telegraph».

Womit wir auch bei der grossen Leerstelle wären: Im Publikum sind die Frauen eher in der Unterzahl. Doch auf der Bühne sind sie (mit Ausnahme zweier Walk-on Girls und ein paar Cheerleaderinnen, die in kurzen Röckchen herumhüpfen) schlichtweg nicht vorhanden. Darts ist eine Männerdomäne durch und durch. So sehr, dass selbst Frauen, die mit Darts zu tun haben, in Klischees verfallen. Als 2005 zum ersten Mal eine Frau (die Jamaikanerin Deta Hedman) einen Mann an einem am TV übertragenen Turnier schlug, holte die Interviewerin von Sky Sports beim obligaten Siegesinterview gleich noch Hedmans Partner, ebenfalls ein Dartspieler, auf die Bühne und stellte ihm die meisten Fragen.

Nachdem 2008 ein Übernahmeversuch scheiterte, versuchte der Profiverband PDC, seinem Konkurrenten BDO die aufstrebenden Athletinnen abzuwerben. So kam es, dass 2009 zum einzigen Mal eine Frau an der PDC-Weltmeisterschaft teilnehmen durfte: die Russin Anastasia Dobromyslowa. In der Folge veranstaltete der PDC 2010 eine eigene Weltmeisterschaft für die Frauen, die allerdings nicht zuletzt daran scheiterte, dass die erfolgreichste Dartspielerin aller Zeiten, Trina «Golden Girl» Gulliver, sich weigerte, den Verband zu wechseln. Das Turnier wurde nur einmal ausgetragen, danach wechselten alle Athletinnen zurück zum weniger prestigeträchtigen BDO.

Vielleicht bräuchte es im hierarchisch geordneten England, das den Dartsport nach wie vor regiert, einfach ein Zeichen von oben: Die erste öffentlich dokumentierte Partie Darts, bei der eine Frau mitspielte, wurde nämlich 1937 zwischen König Georg VI. (dem Stotterer) und seiner Frau Elizabeth (Queen Mum) – beim Besuch eines Gemeindezentrums in Slough gespielt. Das äusserst kurze Spiel, das Elizabeth gewann, schaffte es auf die Frontseiten der englischen Tageszeitungen und löste einen kleinen Dartboom aus, der jedoch mit dem Ausbruch des Kriegs abrupt endete. Ob die aktuelle Königin je Darts gespielt hat, ist nicht bekannt. Jedoch ist Prinz Harry jedes Jahr in der grölenden Masse im Alexandra Palace zu sehen. Wenn er und Meghan schon keine ThronfolgerInnen zeugen dürfen, wer weiss, vielleicht darf man stattdessen auf eine zukünftige Queen of Darts hoffen.

Etrit Hasler spielt selber Darts im Zürcher C-Liga-Team «Shitting Bulls».