Im Affekt: Von Schweden lernen

Nr. 2 –

Der «Blick» hat einen neuen Kolumnisten. Giuseppe Gracia heisst der Mann, er ist Medienbeauftragter des Bistums Chur. In seiner Funktion als Sprecher einer Institution, die Sexualität systematisch tabuisiert und verteufelt, schreibt er … über Sex.

Ausgangspunkt für seine gezwungen ungezwungene Kolumne ist ein Gesetz in Schweden, das neu regelt, wann eine Vergewaltigung vorliegt. Gracia behauptet dazu derart skrupellos falsche Dinge, dass man an seiner Fähigkeit, zu lesen, zweifeln muss. Es sei in Schweden jetzt verboten, «planlosen Sex» zu haben, schreibt er, es brauche neu eine «Vertragszusage», und er schlägt sauglattistisch eine «Beischlaf-App» vor oder eine Apple-Watch, die den politisch korrekten Vertragsabschluss per Vibration meldet. «Feminismus auf der Höhe der Zeit» nennt er das.

Hätte Gracia sich nur fünf Minuten mit dem neuen Gesetz beschäftigt, wüsste er: Es braucht gar keine schriftliche Einwilligung, und der Unterschied zur bisherigen Gesetzgebung besteht darin, dass zukünftig jede sexuelle Handlung, die nicht im gegenseitigen Einverständnis geschieht, strafbar wird. Bisher setzte der Tatbestand der Vergewaltigung die Anwendung von Gewalt oder Bedrohungen voraus.

Statt sich über Schweden lustig zu machen, könnte die Kirche von Schweden lernen. Die neusten Zahlen zu sexuellem Missbrauch im kirchlichen Umfeld sind nämlich erschütternd: 250 Meldungen von sexuellen Übergriffen sind von 2010 bis 2017 eingegangen, davon ereigneten sich mindestens 25 Übergriffe zwischen 2010 und 2016. Der «Blick» schrieb vor ein paar Jahren zu sexuellen Übergriffen im Bistum Chur: «In der Vergangenheit sei teilweise weggeschaut, Opfer seien nicht geschützt und unterstützt worden, teilte die Diözese mit.» Lernen von Schweden hiesse: Opfer schützen und unterstützen. Denn Sex darf nur stattfinden, wenn alle Beteiligten wirklich wollen – auch im kirchlichen Umfeld.

Völlig faktenfrei behauptet Gracia auch, wenn die «Ehe für alle» komme, dürften «polygame Verbindungen aus der reichen Kultur des Islam oder der Mormonen» heiraten.