Generalstreik in Griechenland: Autoritarismus im Eilverfahren

Nr. 3 –

2018 werde sich Griechenland endlich von den Vorgaben der «Troika» befreien, hatte Ministerpräsident Alexis Tsipras angekündigt. Zunächst drückt seine Regierung aber ein weiteres Massnahmenpaket durch.

Wieder haben Tausende GriechInnen auf den Strassen protestiert. Und wieder hat die griechische Regierungskoalition – bestehend aus der Linkspartei Syriza unter Ministerpräsident Alexis Tsipras und der nationalistischen Anel – dennoch weitere Einschränkungen beschlossen.

«Sie haben uns unsere finanzielle Basis genommen, jetzt nehmen sie uns das Letzte, was wir noch haben: unser Recht, zu streiken», sagt eine Frau Anfang vierzig, die selbst auch auf dem Syntagmaplatz vor dem Parlamentsgebäude in Athen gestreikt hat. Ihren Namen möchte sie nicht nennen. «Es ist mittlerweile zu gefährlich, sich öffentlich als sogenannter Störenfried zu bekennen», erklärt sie. Sie selbst habe noch einen Arbeitsplatz, und diesen müsse man in diesen Zeiten schützen.

Teure Anwesenheitspflicht

Gewerkschaften hatten am vergangenen Freitag zum Streik aufgerufen, der den kompletten Nahverkehr in Athen lahmlegte. U-Bahnen, Strassenbahnen und Busse standen still. Es bildeten sich massive Staus auf den Strassen der griechischen Hauptstadt. FluglotsInnen beteiligten sich an den Streiks, Ärztinnen und Richter.

Die Protestierenden kritisierten vor allem die gesetzliche Änderung des Streikrechts. Doch der Protest, der mit Schlagstöcken und Tränengas beendet wurde, brachte nichts: Das griechische Parlament stimmte noch am Abend mit 154 von 300 Stimmen für die Änderung, die besagt, dass Gewerkschaften für einen Streikbeschluss von nun an die Zustimmung von mindestens 51 Prozent aller Mitglieder brauchen. Dann erst darf ab jetzt ein Streik legal ausgerufen werden. Die abstimmenden Mitglieder müssen bei den Abstimmungsrunden persönlich anwesend sein. Vor der Gesetzesänderung genügte die Anwesenheit von einem Drittel der Mitglieder, weitere Abstimmungsrunden erforderten lediglich zwanzig Prozent. Die neue Regelung soll Investoren beruhigen und dabei helfen, Griechenland als Wirtschaftsstandort zu festigen.

«Der neue Beschluss ist eine Erweiterung des Autoritarismus und ein scharfer Einschnitt in die Rechte der Arbeiter», sagt Nikos Papargiorgiou, Mitglied der militanten Arbeiterfront (Pame). Die kommunistisch orientierte Gewerkschaft war selbst auch am Generalstreik beteiligt. Man wolle die ArbeiterInnen mundtot machen und nutze deren prekäre finanzielle Situation mit diesem neuen Gesetz aus, sagt Papargiorgiou. Denn viele wohnten nicht im nahen Umkreis ihres Arbeitsplatzes, an dem man heute meist auch noch unterbezahlt sei. Für die meisten sei die von der Regierung beschlossene Anwesenheitspflicht bei einer Wahlrunde folglich mit beträchtlichen Kosten verbunden. Ausserdem hätten immer mehr Angestellte die Sorge, in der Wahlrunde von Vorgesetzten erkannt zu werden; sie würden fernbleiben, um ihren Arbeitsplatz nicht zu gefährden, so Papargiorgiou.

Syriza unter Druck

Die Einschränkung des Streikrechts ist eine von insgesamt sechzig Forderungen, die Griechenland von der sogenannten Troika – bestehend aus EU, Europäischer Zentralbank und Internationalem Währungsfonds – diktiert wurden. Festgehalten ist das Massnahmenpaket in 400 Artikeln auf insgesamt 1500 Seiten. Darin vorgesehen sind neben der Streikreform unter anderem weitere Privatisierungen, die Vergabe von Lizenzen für Spielcasinos und Kürzungen der Zulagen für kinderreiche Familien. VolksvertreterInnen kritisieren, dass viel zu wenig Zeit geblieben sei, um die Gesetzesreformen überhaupt genau lesen und prüfen zu können. Es habe sich um ein Eilverfahren gehandelt, heisst es aus Regierungskreisen zur Verteidigung. An der Ausarbeitung des Mammutpakets waren fast alle Ministerien beteiligt, vor allem aber die Ministerien für Wirtschaft, Finanzen, Arbeit und Umwelt. Finanzminister Efklidis Tsakalotos (Syriza) betonte, dass sich seine Partei diese Massnahmen «nicht ausgesucht» habe.

Die links geführte Regierung steht unter Druck: Bis zum Frühjahr müssen alle Forderungen der Geldgeber umgesetzt sein. Davon ist die Auszahlung der letzten Tranche von gut 4,5 Milliarden Euro abhängig. Ministerpräsident Alexis Tsipras versicherte im Parlament, die jetzt beschlossenen Reformen seien die letzten dieser Art. Er appellierte an die Bevölkerung, diese letzten Hürden für einen erfolgreichen Abschluss des dritten Rettungspakets zu nehmen, um die noch ausstehenden Hilfsgelder zu bekommen. Griechenland sei nur noch «einen Atemzug davon entfernt, sich von der Vormundschaft der Geldgeber zu befreien», so Tsipras.

Solche Durchhalteparolen werden innerhalb der griechischen Linken schon lange nicht mehr goutiert. «Die heutige Regierung ist unter dem Deckmantel der Linken an die Macht gekommen und setzt nun um, was vorherige Regierungen nicht geschafft haben», sagt Gewerkschafter Papargiorgiou. Man habe die anfängliche Hoffnung der linken Wählerschaft ausgenutzt und setze nun doch einfach durch, was im Sinne des Kapitalismus sei: die Verfügbarkeit billiger Arbeitskräfte, die jetzt nicht einmal mehr streiken dürften.