Human-Rights-Watch-Studie: Den Populismus einfach ausgelagert

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«Der Siegeszug autoritärer Populisten ist heute offensichtlich nicht mehr so unaufhaltsam wie noch vor einem Jahr»: So beginnt eine Botschaft von Kenneth Roth, dem Geschäftsführer von Human Rights Watch (HRW), die die Menschenrechtsorganisation vor einer Woche zusammen mit ihrem Jahresbericht 2017 veröffentlicht hat. Im Jahr zuvor hatte die NGO den Populismus noch zu einem ihrer thematischen Schwerpunkte erklärt, weil er gemäss Roth «im Westen der Welt so rasant zugenommen» habe.

Eine Definition des schwammigen Begriffs «Populismus» bleibt Roth indes schuldig. Und es überrascht, dass HRW eine Entspannung feststellte – ausgerechnet in einem Jahr, in dem der rechtspopulistischen AfD der Einzug in den deutschen Bundestag gelang und die rechtsextreme FPÖ zur österreichischen Regierungspartei aufstieg. Die «Trendwende» macht Roth vor allem am Beispiel Frankreichs fest, wo der liberale Emmanuel Macron bei der Präsidentschaftswahl die rechtsextreme Marine Le Pen in die Schranken wies – indem er sich «offen zu demokratischen Prinzipien» bekannt und «die Bemühungen des Front National, Hass gegen Muslime und Einwanderer zu schüren», entschieden zurückgewiesen habe.

Roths Botschaft ist klar, und sie ist im Grunde richtig: Wer sich auf die fremdenfeindliche Erzählung rechter PopulistInnen einlässt, kann nur verlieren. So erging es etwa der deutschen CDU, die AfD-Positionen übernommen und in der Konsequenz zahlreiche Stimmen an ebendiese Partei verloren hat. Problematisch ist hingegen, dass HRW den grassierenden Populismus lediglich in nationalstaatlich abgegrenzten Räumen untersucht. Nicht zuletzt fusse dieser auf der «Angst vor kultureller Veränderung durch Migration», die durch «Krieg, Repression, Armut und Klimawandel» ausgelöst wird, hält Ross selbst fest – ohne aber einen grenzübergreifenden Zusammenhang herzustellen.

Westeuropäische Mitteparteien rühmen sich heute dafür, wenn sie rechtspopulistische Strömungen einzudämmen vermögen. Solange sie dies aber nur in Zeiten niedriger Migrationszahlen schaffen, werden sie immer auf autoritäre Populisten angewiesen sein: auf den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan zum Beispiel, der Geflüchtete an der Weiterreise in Richtung Europa hindert. Oder auf den ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orban, der Geflüchtete in Lager sperrt. Auf sie dürfen die Mitteregierungen dann selbstgefällig mit dem Finger zeigen, wenn sie den Populismus zu Hause ein Stück weit eingedämmt haben. Faktisch haben sie ihn aber genau dorthin ausgelagert.