Kino-Film «Das Ächzen der Asche»: Max steigt aus der Gruft

Nr. 4 –

Die Landschaft liegt da wie verschneit, die Sonne steht als schwarzes Loch am Himmel. Und wer kommt da durch den Wald gestapft, in weisser Mönchskutte und mit dunkler Sonnenbrille im Gesicht? Das muss Max Rüdlinger sein. Aber etwas ist hier verkehrt: Die Tonwerte sind invertiert, die ganze Welt erscheint im Negativfilm. Wir sehen die Welt mit anderen Augen, und das ist mehr als ein Gimmick in diesem immer auch sehr lustigen neuen Film von Clemens Klopfenstein.

Bei Klopfenstein weiss man ja nie: Ist er jetzt der älteste Jungfilmer des Schweizer Films oder der jüngste von den Alten? Ist aber auch egal, «Das Ächzen der Asche» sei jedenfalls der «freakigste» Film, den er je gemacht habe, so sagt er selber, und das will was heissen bei einem wie ihm. Dabei standen die Vorzeichen auf Trauer: Klopfenstein wollte seine Berner Trilogie mit Polo Hofer und Max Rüdlinger abschliessen, mit einem dritten Teil nach dem «Schweigen der Männer» (1997) und der «Vogelpredigt» (2005). Doch irgendwann musste er einsehen, dass Hofer schon zu krank war, um nochmals drehen zu können.

So ist Rüdlinger jetzt auf sich allein gestellt, als er in einer Katakombe aus seiner Versteinerung erwacht. Zusammen mit Polo ist er offenbar in diese etruskische Gruft gestürzt, als sie sich am Ende der «Vogelpredigt» verlaufen hatten. Ihm gegenüber liegt ein steinerner Polo Hofer, doch so sehr Max ihn auch beschwört, der alte Kumpan regt sich nicht. Und als Rüdlinger ins Freie tritt, ist die Welt draussen wie verzaubert in diesem invertierten Schwarzweiss. Und er fragt sich: Was ist denn passiert? Ist das der spirituelle Durchbruch? Oder ist er in einem Reich zwischen Leben und Tod gelandet?

In Rückblenden aus der Zeit der «Vogelpredigt» wird Polo dann nochmals lebendig: Da sehen wir die beiden Reisegefährten unterwegs nach Italien zu ihrem Regisseur. Doch dann, während des Drehs, schlug sich Klopfenstein kurz in die Büsche, weil er von einem Hügel noch eine «riesengrosse Totale» einfangen wollte – und verschwand für immer in den umbrischen Wäldern.

Unterwegs in seinem Zwischenreich stösst Max jetzt überall auf Reminiszenzen von früher. Etwa beim Aushang eines Kiosks im nahen Städtchen, mit der Schlagzeile: «Regisseur von Wolf zerfleischt». Man spürt schon: Allein fehlt Rüdlinger etwas der Sidekick, der Partner fürs Palaver. Aber dann fällt vom steinernen Polo in der Gruft der Kopf ab, weil er diesen zu fest schüttelt, und so trägt Max fortan Polos Schädel unter dem Arm – ein irgendwie makabres, aber auch wahnsinnig schönes Bild einer unsterblichen Verbundenheit.

Wie Rüdlinger so durch die farbverkehrten Wälder streift, ist es, als würden wir die Welt mit dem staunenden Blick eines Ausserirdischen nochmals neu entdecken, und Ben Jeger hat dazu eine sehnsüchtige Musik komponiert, die wie aus dem Jenseits herüberweht. Kurzum, einen zauberhafteren Film wird man in Solothurn nicht sehen.

In: Solothurn, Landhaus, Sa, 27. Januar 2018, 23.45 Uhr; Kino im Uferbau, Do, 1. Februar 2018, 11.45 Uhr.

Das Ächzen der Asche. Regie: Clemens Klopfenstein. Schweiz 2018