Postauto-Skandal: Leuthards Irrfahrt

Nr. 7 –

Der aktuellen Aufregung um die Postauto AG liegt ein tieferes Problem zugrunde. Deshalb droht dem Unternehmen auch in Frankreich Ungemach.

Das gelbe Monster hat uns betrogen – sagen einem die Schlagzeilen zum «Postauto-Skandal». Persönlich hat sich zwar niemand bereichert, der Skandal ist also nicht ganz so arg. Doch getrickst wurde, das ist unbestritten. Die Schummeleien bei den Subventionen des Bundes haben indes mehr mit dem System als mit der kriminellen Energie der Beteiligten zu tun: Die Postauto Schweiz AG kann in der Schweiz kaum Geld verdienen. Die meisten Linien lassen sich nur betreiben, weil sie subventioniert werden.

Als autoloser Mensch weiss man zu würdigen, was die PostautochauffeurInnen leisten. Mit der Präzision von GehirnchirurgInnen kurven sie auf vereisten Strassen an Abgründen vorbei in fast jedes abgelegene Dorf. Eine kleine Unaufmerksamkeit wäre tödlich. Sie, die Männer und Frauen hinterm Steuer, werden am Ende für die Idiotien ihrer ChefInnen zahlen.

Als Oberchefin amtet Bundesrätin Doris Leuthard. 2010 übernahm sie das Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation, zu dem die Post mit der Postauto Schweiz AG gehört. Als Erstes wollte Leuthard 160 Postautolinien streichen. Das wäre für die Randregionen brutal gewesen. Dort wusste man, dass die Bevölkerungen vieler Täler ohne Postautoverbindung aussterben würden – und wehrte sich erfolgreich.

Also wechselte Leuthard die Strategie. Wenn man das Postautonetz nicht ausdünnen kann, soll das Unternehmen halt mehr Gewinn erwirtschaften. Da dies in der Schweiz nicht geht, muss es die Postauto AG halt im Ausland versuchen. Seit Jahren bemüht sie sich deshalb, mit ihrer Tochterfirma Car Postal in Frankreich möglichst viele Buslinien zu ergattern.

CVP-Nationalrat Guillaume Barazzone fand das schon 2014 heikel und forderte in einer Motion, der Bundesrat solle «sämtliche Massnahmen ergreifen, die nötig sind, um die Tätigkeiten von Car Postal France zu stoppen». Er kritisierte: Um Verluste zu kompensieren, habe die Post ihre Tochter mit 22 Millionen Euro unterstützt.

Als im Sommer 2016 im Ständerat über die Problematik diskutiert wurde, warnte auch SP-Präsident Christian Levrat vor dem Engagement in Frankreich. Er sei froh, dass die Postauto AG bei manchen Ausschreibungen gescheitert sei, und hoffe, man werde nie die Konzession für grosse französische Städte erhalten. Mit Grund: Turbulente Grossmetropolen zu versorgen, ist dann doch eine ganz andere Herausforderung, als Pässe zu überwinden.

Leuthard wollte jedoch keine Kritik hören. Sie sagte, das Geschäft sei dank des starken Frankens profitabel, die Schweizer SteuerzahlerInnen würden davon profitieren – «deshalb sollten wir das Business unterstützen».

Sie bügelte Levrat noch mit dieser Bemerkung ab: «Man bietet dort auch tausend Vollzeitstellen an. Aus gewerkschaftlicher Sicht müssen Sie sich über jede Arbeitsstelle freuen, die Schweizer Unternehmen schaffen können.» Barazzones Motion hatte am Ende keine Chance.

Das Frankreichengagement könnte ein Desaster werden – wie einst die Hunter-Strategie der Swissair. Am Anfang waren alle begeistert von der Idee, dass die grandiose Swissair marode Fluggesellschaften kauft und der Welt zeigt, wie Swissness geht. Am Ende stürzte das Konstrukt zusammen, die Swissair ging unter.

Nur war die Swissair nicht zuständig für den Service public. Die Schweiz überlebt gut ohne eigene Fluggesellschaft. Ohne Postautos wäre das anders. In Frankreich droht jetzt schon Ungemach, weil französische Busunternehmen gegen die Postauto AG prozessieren. Sie werfen ihr vor, sie trete mit Dumpingpreisen an, was sie sich nur dank der staatlichen Subventionen leisten könne. Noch ist nicht bewiesen, dass die falsch verbuchten Subventionen nach Frankreich flossen. Das ist aber auch egal: Ein öffentlicher Betrieb wie die Postauto AG hat nicht die Aufgabe, im Ausland andere Busunternehmen zu konkurrenzieren.

Verantwortlich für das drohende Desaster sind Bundesrätin Leuthard und das Parlament. Sie wissen von der Hochrisikostrategie, sie wollen sie. Wenn es schiefgeht, sind dann einfach die anderen schuld.