Kommentar zu Fernbussen und Service public: Erst fahren, dann reden

Nr. 8 –

Sollen Fernbusse Schweizer Städte verbinden? Noch bevor sich der Nationalrat mit der Frage beschäftigt, erhielt ein erstes Busunternehmen eine Konzession.

Das Rezept des Busunternehmens Domo Reisen lässt sich mit einem Wort zusammenfassen: Schnäppchenpreise. Das Fernbusunternehmen hat als erster Anbieter die Erlaubnis erhalten, Strecken innerhalb der Schweiz zu bedienen. Das Bundesamt für Verkehr (BAV) hat ihm dafür Anfang dieser Woche eine Konzession erteilt.

Vorerst wird Domo Reisen die Strecken St. Gallen–Zürich–Biel–Genf Flughafen, Zürich Flughafen–Basel–Luzern–Lugano und Chur–Zürich–Bern–Sitten bedienen. Ob die Tiefpreisstrategie den gewünschten Erfolg bringen wird, ist fraglich: Die Strecke Bern–Zürich etwa bietet das Unternehmen zwar für lediglich 11.50 Franken an (mit Halbtax). Bei den SBB bezahlt man dafür – erwischt man nicht gerade ein Sparbillett – mit 25.20 mehr als das Doppelte. Dafür aber dauert die Reise mit dem Car zweimal so lange. Kommt dazu, dass auf den weniger nachgefragten Strecken der Spareffekt kleiner ist: Von Zürich nach St. Gallen etwa tuckert der Bus für 9.80 Franken, der Schnellzug kostet 15.50.

Die SBB werden diese Konkurrenz zumindest vorerst nicht ernsthaft zu spüren bekommen. Dennoch darf die Bedeutung der Lizenzvergabe an Domo Reisen nicht unterschätzt werden: Sie ist ein erster Erfolg der LiberalisierungsbefürworterInnen, die dem ÖV-Modell Schweiz den Kampf angesagt haben. Hinter den Kulissen wird die Liberalisierung schon seit Jahren vorangetrieben – von ebenjenem Amt, das die Lizenz erteilt hat.

Bereits im Jahr 2014 hat das Bundesamt für Verkehr ein brisantes Strategiepapier zur «Zukunft des öffentlichen Verkehrs» verfasst, das sich auf eine einfache Formel herunterbrechen lässt: mehr Markt. Es gelte, eine Strategie zur schrittweisen Marktöffnung und Ausschreibung des Personenverkehrs zu entwickeln, schreibt das BAV im Papier. Konkret will das Amt mehr Wettbewerb, verstärkten Marktzugang für private, gewinnorientierte Unternehmungen, mehr marktwirtschaftliche Instrumente und Anreize für unternehmerisches Handeln.

Letztlich macht nicht das BAV die Gesetze, sondern das Parlament – doch das Amt für Verkehr tritt äusserst offensiv auf. Und wird dabei von Bundesrätin Doris Leuthard gestützt. Die Signale des Bundesrats an die SBB sind klar: Letzten Herbst präsentierte das BAV einen Bericht des Bundesrats. Und hielt fest: Dieser wolle den Markt nicht nur für heimische Fernbusse öffnen – sondern auch für ausländische Zugunternehmen. Der Bundesrat verspricht sich vom Wettbewerb «eine Verbesserung des bestehenden Angebots». Konkurrenz könnte den SBB bald auch vom Berner Zugunternehmen BLS drohen: Das BAV will bis im Sommer über ein entsprechendes Gesuch entscheiden.

Eine solche Öffnung des Schienennetzes würde die SBB enorm unter Druck setzen. Damit ist klar: Die Schweiz steht vor einer Grundsatzdebatte um den Service public. Es geht um die Frage, ob dieser im Bereich des öffentlichen Verkehrs erhalten bleibt – oder ob der Transport dem Wettbewerb überlassen werden soll. Wenn private Unternehmen künftig auf lukrativen Strecken ihre Geschäfte machen könnten – neben Domo Reisen stehen auch bereits die Grossunternehmen Flixbus und Eurobus in den Startlöchern –, würde das Löcher in die Kassen von Bund und SBB reissen: Die Quersubventionierung von weniger frequentierten Strecken in den Randregionen wäre gefährdet.

Das Bundesamt für Verkehr hat mit seiner Konzessionsvergabe nichts Verbotenes getan, es reizt allerdings den gesetzlichen Spielraum aus: Für eine Konzession wird unter anderem verlangt, dass die neuen Akteure die bisherigen nicht «wesentlich» konkurrenzieren. Was das bedeutet, ist Auslegungssache. BAV-Direktor Peter Füglistaler hat mehrfach öffentlich geäussert, dass er die Förderung von Fernbussen befürwortet.

Die nationalrätliche Kommission für Verkehr und Fernmeldewesen sieht das anders: Sie hat kürzlich eine Motion verabschiedet, die die Hürden für die Konzessionsvergabe erhöhen will. Der Nationalrat behandelt das Geschäft Anfang kommender Woche. Wenn die ersten Fernbusse Ende März losrollen, wird die Debatte um die Schnäppchenpreise erst richtig beginnen.