Kommentar zur Lohngleichhheit: Ein schlechter Deal für die Frauen

Nr. 9 –

Just als sich der Ständerat mit Lohngleichheit beschäftigt, bringt die FDP einen Vorschlag für eine Erhöhung der AHV für Frauen ins Spiel.

Man mag es gar nicht mehr formulieren. Aber so ist es nun mal immer noch: Frauen in der Schweiz werden beim Lohn diskriminiert. Dabei ist die Gleichstellung der Geschlechter seit 1981, also seit beinahe vierzig Jahren, in der Verfassung festgeschrieben, und seit 1996 gibt es einen konkreten Verfassungsauftrag, Lohngleichheit herzustellen.

Dass die SVP die Verfassung nicht sonderlich ernst nimmt: geschenkt. Und FDP und CVP? Noch in den neunziger Jahren gab es in beiden Parteien Frauen von politischem Gewicht, die sich für die Beseitigung dieses unerhörten Missstands ins Zeug legten. Diese Zeiten sind passé. Die FDP und zu weiten Teilen auch die CVP sind sozialpolitisch und in Gleichstellungsfragen mittlerweile mehr oder weniger SVP-Klone. Sie politisieren beinahe so ungeniert wie die SVP gegen Fraueninteressen (und gegen sozial Benachteiligte).

Desgleichen die Wirtschaftsverbände, die ja gerne auf Freiwilligkeit setzen und angeblich gegen «überbordende» Regulierungen sind (es sei denn, es geht gegen Schwächere, dann kann die Regulierung nicht streng genug sein). Freiwillig freilich wäre in den letzten Jahren alles möglich gewesen: An einem 2007 vom Bund organisierten Hearing erklärten sich die Sozialpartner bereit, im Dialog die Lohngleichheit voranzutreiben. Das Projekt des Bundes «Lohngleichheitsdialog» dauerte fünf Jahre, bis 2014. Gebracht hat es nicht viel. Weil der gute Wille der Wirtschaft und ihrer politischen HelfershelferInnen offensichtlich nur gespielt war – nichts als pseudoliberales Geschwätz.

Daher beschloss der Bundesrat unter Federführung der zuständigen Bundesrätin Simonetta Sommaruga, die verfassungsrechtliche Lohngleichheit mit zusätzlichen Massnahmen durchzusetzen. So sollen Firmen mit fünfzig oder mehr MitarbeiterInnen dazu verpflichtet werden, im Abstand von vier Jahren eine Lohnanalyse vorzunehmen und diese von einer externen Stelle überprüfen zu lassen. Die Vorlage wurde inzwischen entschärft – keine Prangerliste fehlbarer Unternehmen und keine Frauenquote für Verwaltungsräte (siehe WOZ Nr. 2/2018 ). Die meisten Bürgerlichen sind selbst gegen diese Vorlage. Der Ständerat trat am Mittwoch darauf ein, schickte sie dann aber zurück in die Kommission; er erwartet bessere Vorschläge.

Eine Annahme der Vorlage wäre auch in der vorliegenden, schwammigen Version von grosser symbolischer Tragweite, die Erfüllung des Lohngleichheitsgebots bliebe weiterhin auf der politischen Agenda. Andernfalls bestünde die Gefahr, dass das Postulat aus der politischen Debatte verschwindet und Unternehmen mit diskriminierender Lohnpolitik ungestraft fortfahren könnten. Das wäre fatal. Denn Lohnungleichheit wirkt sich auch auf die Höhe der Renten und die Vermögensbildung aus. Viele Frauen sind da ohnehin benachteiligt: Unterbruch der Karriere wegen Kinderbetreuung, Teilzeitarbeit, unbezahlte Familien- und Care-Arbeit. Die Mehrheit der RentnerInnen, die allein mit der AHV auskommen müssen und auf Ergänzungsleistungen und Hilflosenentschädigung angewiesen sind, sind denn auch Frauen. Nicht einmal ein Fünftel der Frauen (gegenüber einem Drittel der Männer) können aus allen drei Säulen (AHV, Pensionskasse, dritte Säule) Leistungen beziehen.

Die St. Galler Ständerätin Karin Keller-Sutter kennt diese Fakten. Sie verknüpft nun das Lohngleichheitspostulat mit der AHV-Reform: Statt der Lohnanalysen bringt sie eine gezielte Erhöhung der AHV für Frauen ins Spiel – damit soll die Rentenaltererhöhung für die Frauen ausgeglichen werden. Wie das genau bewerkstelligt und finanziert werden soll und ob es sich bloss um eine Übergangslösung handelt: alles unklar.

Auf linker Seite nimmt man den Vorschlag nicht wirklich ernst. Als die Linke im vergangenen Jahr in der Rentenreform von Alain Berset einen vergleichbaren Vorschlag beantragte, kam keinerlei Unterstützung aus der FDP. Und was wäre das für ein Deal? Frauen, akzeptiert die Lohndiskriminierung – dafür bekommt ihr eine etwas höhere Rente.