Stephen Bannon in Zürich: Wenn die Mantelknöpfe piepsen

Nr. 10 –

Unsere Reporterin begab sich in ein Paralleluniversum, das sich in diesem Fall in Zürich Oerlikon auftat.

Von irgendwas muss der Mann ja leben, hatte ich mir im Vorfeld gedacht, und Vortragsreisen gelten schliesslich als einträglicher Broterwerb unter ExpolitikerInnen. Auf Einladung von Roger Köppel, dem Verleger und Chefredaktor der «Weltwoche», trat Stephen K. Bannon, von Köppel liebevoll Steve genannt, in Zürich auf.

Weit über tausend BesucherInnen wollten «the former chief advicer to the President of the United States of America and the architect behind Donald Trump’s surprising electorial success», wie er im Wrestlingstyle angekündigt wurde, live erleben.

Doch zum Anfang: Zuerst war alles sehr geheim. Den Veranstaltungsort erfuhr man erst nach geglückter Anmeldung, inklusive «‹Weltwoche›-Veranstaltung-Verbotsplakat» mit achtzehn Piktogrammen der verbotenen Gegenstände: keine «Schuss-, Hieb-, Stich- und sonstigen Waffen aller Art», «Sägen, Äxte, Beile und vergleichbares Werkzeug», «Drohnen und andere unbemannte Luftfahrzeuge», weder Flüssigkeiten noch anderes, was man zum Leben so braucht.

Gespräche in der Damentoilette

Scharf beobachtet von der Security, muss ich am Eingang durch eine Schleuse, wo es prompt piepst, was zum Glück nur meine Mantelknöpfe sind. Dann wird sehr lange und sehr genau in meine Handtasche geleuchtet. Auf meine Frage, ob die Sicherheitsbestimmungen bei jeder Veranstaltung hier so streng seien, heisst es knapp: «Heute mehr!»

Die Presse musste früher da sein, also habe ich Zeit, mich der Frage zu widmen: Wer kommt hierher und warum? BesucherInnen aller Altersgruppen drängen sich in der Eingangshalle, mehr Männer, aber auch viele Frauen.

Als Erstes spreche ich auf der Damentoilette zwei gepflegte Blondinen mittleren Alters an, eine leidet an Botox. So eine Person der Zeitgeschichte müsse man mal erlebt haben, sagt sie. Politisch harmoniere sie nicht mit Bannon, aber nach allem, was in den Zeitungen gestanden habe, müsse man doch mal hören, was er wirklich sage. Ihre Begleiterin meint, jetzt sei er ja im zweiten Glied – am Anfang habe man ja meinen können, er sei der Präsident, so wie er Trump alles einflüsterte, aber so was könne der Trump halt nicht ertragen.

Dann unterhalte ich mich mit einem jüngeren Paar. Bannon habe schon derart viel erlebt und gemacht in seinem Leben, sagt sie, das finde sie so spannend, dass sie die Gelegenheit nutzen wolle, ihn persönlich zu erleben. Einige ihrer FreundInnen hätten es moralisch nicht gut gefunden, so jemanden zu unterstützen, aber sie finde es sehr wichtig, dass auch so jemand bei uns sprechen dürfe. Ihr Partner betrachtet das Ganze als Spektakel, ein Neonazi sei Bannon ja nicht. Sie guckt bedenklich.

Der Saal füllt sich. Die Stimmung ist aufgeräumt und erwartungsvoll wie vor einem Popkonzert. Dazu passt, dass der Popstar auf sich warten lässt. Die Zeit vergeht. Ich bin schon fast zwei Stunden da. Männer in dunklen Anzügen murmeln in Knopfmikrofone; als ich einen Techniker frage, wann es anfängt, sagt er: «Jetzt dann bald.»

Dann endlich dröhnt die anfangs zitierte Ankündigung aus dem Lautsprecher. Aber es tritt ja nicht nur der Architekt von Trumps überraschendem Wahlerfolg auf, sondern auch «the publisher and editor-in-chief of ‹Weltwoche›, Roger Köppel». Der strahlt wie ein Maikäfer und platzt schier vor Stolz, als er einen «Free Speech Summit», ja, den «Rock ’n’ Roll» der freien Rede, verspricht. Das Beste daran: Köppels Englisch versteh ich lückenlos.

Dann kommt Bannon, und während der nächsten Stunde gelange ich zur Überzeugung, dass er nach wie vor Trumps glühendster Fan ist. Unter immer wieder aufbrausendem Applaus erzählt er von der revolutionären Bewegung, die nach dem Schock, den Trumps Wahl der Finanzelite und den Mainstreammedien bereitete, erst Amerika und dann auch Europa ergriffen habe, vom Brexit und den beglückenden Wahlerfolgen in Polen, Ungarn und Italien und mit der AfD auch in Deutschland. Als er von «doctor Blocher» zu schwärmen beginnt, dem die Schweiz «freedom and prosperity» verdanke – «He’s Trump before Trump!» –, tobt der Saal.

Sogenannt kritische Fragen

Köppel will auch «critical» Fragen stellen, zum Beispiel, ob Trump Widerspruch gelten lasse und ob er seine Tweets selber schreibe. Trump liebe den Wettbewerb zwischen Ideen, antwortet Bannon: «He’s a great listener.» Und natürlich twittert er selbst. Alles andere hätte ich auch für unmöglich gehalten.

Nach dem Ende frage ich ein elegantes älteres Ehepaar, ob die Veranstaltung gehalten habe, was sie sich davon versprochen hätten. Es sei interessant gewesen, meint die Dame, und Trump sei ihr tatsächlich jetzt sympathischer als vorher.

Jetzt bin ich ziemlich sicher, dass Bannon noch auf Trumps Lohnliste steht.