Aufrüstung: Neue Atomprogramme weltweit

Nr. 11 –

Auch wenn sich Nordkorea gerne mit seinen Nuklearwaffen brüstet: Die USA und Russland besitzen über neunzig Prozent der atomaren Waffen – und sie rüsten fleissig auf.

Wer heutzutage das Wort «Atombombe» hört, hat möglicherweise gleich den nordkoreanischen Diktator mit Pilzfrisur vor dem inneren Auge. Umso mehr, als Kim Jong Un ein Treffen mit dem US-Präsidenten in Aussicht hat – ein Ziel, das schon sein Vater seit dem Start des Atomprogramms zu erreichen versuchte.

US-Präsident Donald Trump könnte nun ermöglichen, was sich nicht einmal die nordkoreanische Staatspropaganda richtig vorstellen konnte. Ein 2012 veröffentlichter Spielfilm des staatlichen Studios sollte die nordkoreanische Bevölkerung vom Nutzen des Atomprogramms überzeugen – eine Art Gegenstück zu Stanley Kubricks Film «Dr. Seltsam oder: Wie ich lernte, die Bombe zu lieben» aus dem Jahr 1964.

Im koreanischen Propagandafilm lässt sich Washington nach einer Reihe von Atomtests zwar davon überzeugen, die zuvor abgebrochenen Verhandlungen auf hoher Ebene wieder aufzunehmen. Doch anstatt eines amtierenden US-Präsidenten besucht als filmisch-fiktiver Höhepunkt gerade mal ein symbolisch bedeutsamer US-Sondergesandter Pjöngjang: Expräsident Bill Clinton.

Seriös vorbereitetes Gipfeltreffen?

Ironischerweise war der reale Bill Clinton derjenige US-Präsident, der mit Nordkorea ein umfassendes Abkommen aushandeln liess und später Aussenministerin Madeleine Albright nach Pjöngjang entsandte. Im Vorfeld des nun geplanten Gipfeltreffens zeigt sich Albright besorgt, dass die jetzige US-Regierung in der kurzen Zeit und aufgrund personeller Lücken in den zuständigen Ministerien kaum in der Lage sei, hochkomplexe Atomverhandlungen seriös vorzubereiten.

Der Hype um Nordkorea ist gross – trotzdem sollte man nicht vergessen, welche Gefahren von den 99,9 Prozent der Atomwaffen ausgehen, die nicht im Besitz der Kim-Dynastie sind. Schliesslich ist lediglich klar, dass Nordkorea über Spaltstoffe für bis zu zwanzig Atomsprengköpfe verfügt, nicht aber, ob diese im Ernstfall auch verlässlich einsatzbereit wären.

Zumindest in Asien müssten die fast 300 Atomwaffen, die im Besitz von Indien und Pakistan sind, für mehr Beunruhigung sorgen. Die südasiatischen Regionalmächte haben in sieben Jahrzehnten bereits vier Kriege gegeneinander ausgetragen und drohen immer mal wieder mit einem nuklearen Erstschlag. Sie haben immer noch ungenügende Kommunikationskanäle, was ihre nuklearen Absichten anbelangt; sie bauen ihre Arsenale stetig aus, und Pakistan könnte so schon bald zur drittgrössten Atommacht der Welt aufsteigen.

Global betrachtet bleiben die beiden mit Abstand grössten Atommächte, die USA und Russland, die zentralen Akteure: Von den weltweit 14 935 Atomwaffen (so die Schätzung des Stockholmer Friedensforschungsinstituts Sipri) besitzen sie zusammen fast 93 Prozent. Im letzten Jahr haben sie zwar über 400 Sprengköpfe abgebaut, was aber weit unter den in einem bilateralen Vertrag festgelegten Abrüstungsverpflichtungen liegt. Und sie scheinen dabei vor allem das zu entsorgen, was ohnehin veraltet ist. Gleichzeitig bringen beide Staaten ihr verbliebenes Nukleararsenal auf den neusten Stand. Im Windschatten seiner Abrüstungsrhetorik hatte schon der frühere US-Präsident Barack Obama ein Modernisierungsprogramm gestartet, das die US-SteuerzahlerInnen in den nächsten dreissig Jahren bis zu einer Billion Dollar kosten könnte.

Wahrscheinlichkeit für Atomkrieg steigt

Nun ist mit Trump ein Präsident am Drücker, der das US-Nukleararsenal nicht nur modernisieren, sondern auch ausweiten will. Die im Februar veröffentlichte «Nuclear Posture Review» des Verteidigungsministeriums zeichnet eine globale Sicherheitslage, die von Russland und China akut gefährdet werde. Deshalb müssten die Einsatzszenarien für US-Atomwaffen erweitert werden, zum Beispiel als Antwort auf nichtnukleare Angriffe. Und dafür brauche es neue Atomwaffen mit geringerer Sprengkraft, die in einem Gefecht ähnlich wie konventionelle Raketen eingesetzt werden könnten.

Gleichzeitig trägt auch die russische Regierung dazu bei, die Wahrscheinlichkeit eines Atomkriegs wieder zu erhöhen. Am 1. März präsentierte Präsident Wladimir Putin in seiner Rede zur Lage der Nation die (angeblich) neusten Nuklearwaffen im russischen Arsenal, insbesondere atombetriebene Marschflugkörper, die mit hoher Geschwindigkeit sehr tief und weit fliegen und dadurch kaum abgewehrt werden können.

Putin liess die neuen Errungenschaften während der Rede übrigens mit Filmanimationen illustrieren (in denen Florida virtuell zerstört wird). Unklar ist, ob es eine Bedeutung hat, dass die russischen Animationen deutlich unter dem Niveau der Konkurrenz blieben: Sie kamen weder an Kubricks Kriegs- und Weltraumwerke der sechziger Jahre noch an die nordkoreanische Filmpropaganda von 2012 heran.