Wasserknappheit: Grosse Versprechen, noch grössere Gewinne

Nr. 11 –

Über 800 Millionen Menschen haben keinen Zugang zu einer sicheren Wasserquelle. Bald könnten es noch mehr werden. Konzerne wie Nestlé wollen davon profitieren, indem sie die Lebensgrundlage der Menschen zur Ware machen. Mit der Water Resource Group nehmen sie auf immer mehr Regierungen Einfluss – und werden dabei vom Bund unterstützt.

Am Theewaterskloof-Reservoir bei Johannesburg. Foto: Janosch Abel und Florian Spring

Sie wollen das Wassermanagement der Welt verbessern. Sie wollen die Privatwirtschaft, Regierungen, internationale Institutionen und auch die «Zivilgesellschaft» zusammenbringen, um einer der wichtigsten Herausforderungen des 21. Jahrhunderts zu begegnen, der Wasserkrise: Die Water Resource Group (WRG) hat sich viel vorgenommen und schreckt vor grossen Worten nicht zurück. Kein Wunder, könnte man meinen. Die WRG ist ein Kind des World Economic Forum (Wef), sie wurde vor zehn Jahren in Davos gegründet. Dort wollen Grosskonzerne im Verbund mit staatlichen Akteuren und internationalen Organisationen schon lange die Welt retten.

Die Gruppe ist ein seltsamer Zusammenschluss: Einerseits sind da Entwicklungsagenturen wie die Schweizer Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (Deza) und internationale Entwicklungsbanken wie die Weltbank, die die WRG-Gremien mit Führungspersonal und SpezialistInnen besetzen; andererseits sitzen aber auch VertreterInnen von sechs grossen Konzernen in den Ausschüssen. Von diesen hat der Schweizer Grosskonzern Nestlé am meisten Gewicht. So wird der WRG-Verwaltungsrat von Beginn an vom jeweiligen Verwaltungsratspräsidenten von Nestlé präsidiert: Bis 2017 war das Peter Brabeck, jetzt ist es Paul Bulcke. Nestlé verfügt auch über eine Vertreterin im Steuerungsausschuss der Organisation.

«Pures Leben» für die Schwellenländer

Das ist umso bemerkenswerter, als Nestlé gerade wegen seines Wassergeschäfts immer wieder in der Kritik steht: Vergangenes Jahr hat der Konzern mit dem Verkauf von Quell- und Tafelwasser einen Umsatz von acht Milliarden Franken sowie einen Gewinn von einer Milliarde Franken erzielt. Dabei zapft Nestlé oft für wenig Geld Quellen an, füllt das Wasser mit hohem Energieaufwand in umweltschädigende Plastikflaschen ab, lässt es in Lastwagen über grosse Strecken fahren – um es dann zu einem bis zu 2000-mal höheren Preis zu verkaufen als Wasser, das aus dem Wasserhahn fliessen würde. Damit dieses Geschäft floriert, betreibt der Konzern intensives Marketing. Mit seiner Weltwassermarke «Pure Life» hat er insbesondere die Mittelschicht in den Schwellenländern im Visier. Dass dieses Geschäft abstrus ist, weiss man sogar bei der Deza: In deren Büroräumen gibt es nur Hahnenwasser zu trinken – die Wassergläser sind mit dem Schriftzug «Free from PET» beschriftet.

Auch Coca-Cola und Pepsi, die ebenfalls führend im Geschäft mit Flaschenwasser sind, sitzen in der WRG. Dazu das weltweit grösste Brauereiunternehmen AB Inbev. Dieses ist im Besitz des schweizerisch-brasilianischen Doppelbürgers Jorge Paulo Lemann, der laut dem Wirtschaftsmagazin «Forbes» über ein Vermögen von 28 Milliarden Dollar verfügt und am Zürichsee lebt. Ein weiterer Konzern in der WRG ist die dänische Firma Grundfos, eine der weltweit führenden Pumpenherstellerinnen. Und schliesslich ist seit 2016 auch der US-amerikanische Chemiegigant Dow in der WRG vertreten. Man mache mit, weil es einen Plan zu entwickeln gebe, «der helfen soll, den Übergang zu einem nachhaltigeren Planeten und einer nachhaltigeren Gesellschaft zu ermöglichen», erläuterte Dow das Engagement. In der Vergangenheit war der Konzern durch die Kriegschemikalien Agent Orange und Napalm zu trauriger Berühmtheit gelangt. Seit 2001 gehört auch das Unternehmen Union Carbide zum Dow-Imperium – jene Firma, die für die Industriekatastrophe von Bhopal im Jahr 1984 die Verantwortung trägt und der bis heute vorgeworfen wird, die Opfer des Unglücks nicht ausreichend entschädigt zu haben.

Die Uno hat als eines ihrer Entwicklungsziele für das Jahr 2030 festgelegt, dass alle Menschen einen sicheren Zugang zu Wasser haben sollen. Laut Unicef, dem Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen, und der Weltgesundheitsorganisation haben derzeit rund 844 Millionen Menschen keinen Zugang zu einer sicheren Wasserquelle. Und es könnten noch mehr werden: Die Deza schätzt, dass in zwölf Jahren vierzig Prozent der Menschheit in Regionen mit angespannter Wassersituation leben. «Wasserknappheit ist zum globalen Risiko geworden, mit komplexen Effekten auf die Gesundheit und das Wohlbefinden der Menschen, der Wirtschaft, der Umwelt und der Gesellschaft als Ganzes», schreibt die Deza.

Weil die Grundwasservorräte überbeansprucht werden, drohen sie längerfristig zu versiegen – und aufgrund des exzessiven Abbaus von Mineralien und fossilen Rohstoffen wird voraussichtlich noch mehr Süsswasser verschmutzt werden. Die Bewässerung von Grossplantagen und Monokulturen absorbiert nicht nur grosse Wassermengen, sondern gefährdet auch Flüsse und das Grundwasser mit Düngerresten. Der Klimawandel verschärft die Situation: Neben Überschwemmungen gibt es vermehrt grosse Dürren. Dafür, dass der südafrikanischen Millionenstadt Kapstadt schon bald das Wasser ausgehen könnte, ist aber auch das Missmanagement verantwortlich. Auch Megastädte wie Mexiko-Stadt, Beijing und Neu-Delhi befinden sich bereits in einer prekären Situation.

Privatisierung als «Weltrettung»

Die WRG fokussiert sich primär auf sogenannte Schwellenländer wie Indien, Brasilien, Südafrika oder auch Peru, wo multinationale Konzerne besonders gute Wachstumsaussichten haben. Bei ihrer Gründung vor zehn Jahren hatte die WRG beim Beratungsunternehmen McKinsey eine Studie in Auftrag gegeben, um die künftige Strategie zu bestimmen. Zentrale Aussage der Schrift: Wasser muss zu einer Ware werden, deren Preis sich nach Angebot und Nachfrage richtet. Nur so könne der zunehmende Wasserverbrauch gestoppt werden. Es brauche Anreize, Wasser zu sparen und den Einsatz effizienter zu gestalten. So etwa sollen die Effizienz und Produktivität in der Landwirtschaft, die global rund siebzig Prozent des Süsswassers verbraucht, durch bessere Bewässerungssysteme, besseres Saatgut und einen «optimierten» Düngeeinsatz erhöht werden.

Bei der WRG schätzt man, dass jährliche Investitionen von 114 Milliarden US-Dollar nötig seien, um bis 2030 für alle Menschen auf der Erde einen sicheren Zugang zu Wasser zu garantieren, wie das die Uno als Ziel festgelegt hat. Der McKinsey-Bericht empfiehlt, Financiers anzulocken, die Kredite geben – und durch Eigentumsrechte am «Wassermarkt» partizipieren können. Der Privatsektor könne so zum «Motor der Entwicklung» werden. Doch damit sich mit Wasser «attraktive Geschäftsmodelle» entwickeln liessen, brauche es «klarere Eigentumsrechte, angemessene Tarife, Quoten, Preismechanismen» und vor allem auch «Anreize», die sich auf die Profitabilität der Unternehmen auswirken würden. Die WRG müsse die «Ökonomie des Wassers ins Licht rücken». Unternehmen, Haushalte und BäuerInnen bräuchten klare ökonomische Signale und Anreize, um Wasser effizienter und produktiver zu nutzen. Den schlecht «performenden» Wassersektor gelte es zu «transferieren». Und dazu sei ein «Momentum» nötig.

Den «Stakeholderansatz» sieht die WRG als das zentrale Instrument, um ihre Strategie durchzusetzen. Selber bezeichnet sich die WRG als neutral, will aber in einzelnen Projektländern und Teilstaaten «Plattformen» bieten, damit InteressenvertreterInnen oder eben Stakeholder zusammenkommen und den Umgang mit dem Wasser aushandeln können. Für die WRG gehören dazu private Unternehmen, staatliche Institutionen und die «Zivilgesellschaft». «Wir glauben, dass es nötiger denn je ist, dass diese Parteien zusammenkommen», schreibt die WRG-Sprecherin Alida Pham auf Anfrage der WOZ. Pham spricht von total 642 «aktiven Partnern», die in 46 Arbeitsgruppen in 14 Staaten mitarbeiten, darunter 218 Partner aus der «Zivilgesellschaft». Eine Sprecherin der Deza betont, dass die Schweiz die WRG genau wegen dieses Stakeholderansatzes unterstütze: Die Deza setze sich dafür ein, «dass in den Länderprogrammen ein ausgewogener Dialog aufgesetzt wird». Alle sollen Gehör bekommen, alle etwas zu sagen haben.

Konzerne geben den Ton an

Ein Blick auf einzelne Länder zeigt eine andere Realität: In Südafrika etwa, wo das Stakeholdergremium Strategic Water Partners Network (SWPN) heisst, dominieren neben nationalen und regionalen Regierungsbehörden eindeutig Grosskonzerne. Neben Nestlé und Coca-Cola sind das vorab Minengesellschaften wie Anglo-American, BHP Billiton und Xstrata Coal (die zum Schweizer Multi Glencore gehört). Als veritabler Teil einer «Zivilgesellschaft» können im besten Fall VertreterInnen von Unternehmensvereinigungen sowie Umweltorganisationen wie der WWF, die weltweit eng mit privaten Unternehmen zusammenarbeiten, bezeichnet werden. Von Organisationen, die die lokale Bevölkerung repräsentieren – Gewerkschaften, BäuerInnenorganisationen, Frauenorganisationen oder Basisgruppen –, fehlt jede Spur.

Das ist umso unverständlicher, als gerade die einfache Bevölkerung schon jetzt von Wasserknappheit betroffen ist. Auch nach dem Ende der Apartheid wurde in Südafrika der Zugang zu Wasser für die arme schwarze Bevölkerung oft nicht besser. Auf Druck der Weltbank wurde die Wasserversorgung in verschiedenen Städten privatisiert. Für Patrick Bond, Ökonomieprofessor an der Universität Johannesburg, hat das zu einer «Wasserapartheid» geführt. Wer seine Rechnung nicht zahlt, dem wird das Wasser abgestellt. In den informellen Siedlungen der Grossstädte leben schon heute viele BewohnerInnen ohne Wasseranschluss.

Das SWPN will jetzt einen Hauptfokus auf die Wasserversorgung in den südafrikanischen Gemeinden legen: Doch sein Ziel ist nicht Wassergerechtigkeit, sondern, mehr Einnahmen zu erzielen. Argumentiert wird damit, dass heute zu viel Wasser durch Lecks, Diebstahl oder nicht richtig funktionierende Wasserzähler verloren gehe. Keine Rede davon, die Wasserversorgung für alle zu garantieren. Der betroffenen Bevölkerung soll es verunmöglicht werden, Wasser gratis abzuzapfen.

Bislang sass in der WRG wie auch im SWPN Nomvula Mokonyane, die eben abgesetzte Ministerin für Wasser und Umwelt Südafrikas. OppositionspolitikerInnen wie auch Gewerkschaften werfen ihr Korruption und Missmanagement vor. Sie selber schwärmt von einer «neuen Partnerschaft zwischen den Unternehmen und dem Investmentsektor». Man brauche dringend neues «Wasserinfrastrukturkapital».

Die Struktur der «Multistakeholder»-Gruppen zieht sich durch alle Länder, in denen die WRG aktiv ist. Was als «breite Plattform» angepriesen wird, entpuppt sich bei näherem Hinschauen als Arrangement, um den grossen Konzernen den Zugang zu BehördenvertreterInnen und Entwicklungsbanken zu erleichtern. Die Konzerne wollen primär ihr Geschäftsmodell erhalten und weiterhin uneingeschränkten Wasserzugang haben – für äusserst umwelt- und klimaschädigende Unterfangen wie den Kohleabbau in Südafrika oder in der mongolischen Wüste Gobi.

In Peru hilft die WRG mit, die Bewässerung von Spargeln effizienter zu gestalten. Ob solche Monokulturen in der Wüste, deren Produkte für den europäischen Markt bestimmt sind, überhaupt sinnvoll sind, wird nicht gefragt. Für die LandarbeiterInnen jedenfalls bietet die Spargelwirtschaft keinen Ausstieg aus der Armut (siehe WOZ Nr. 9/2015 ). Es erstaunt nicht, dass die Stakeholder auch in Peru primär staatliche Akteure und grosse Konzerne sind. Letztere haben sich das Recht ausgehandelt, bis zu fünfzig Prozent ihrer Steuerschulden direkt für ihre profitablen Wasserprojekte einzusetzen.

Für die Deza hingegen ist Peru ein Beleg dafür, dass auch «nationale Akteure der Zivilgesellschaft gerade auch mit sozialer Zielsetzung» in Multistakeholder-Plattformen beteiligt seien. Als Beispiel nennt sie eine Universität sowie die Organisation Aquafondo Peru. Letztere allerdings beschreibt sich selber als Fonds der öffentlich-privaten Partnerschaft. Neun Organisationen werden auf der Website als Partnerinstitutionen geführt. Eine davon: Nestlé.

Für Satoko Kishimoto ist der Stakeholderansatz der WRG reine Augenwischerei: Die Wasserexpertin beim Transnationalen Institut, einem Thinktank für soziale Bewegungen, sagt: «Es geht doch um eine Machtfrage. In der Wasserfrage konkurrieren unterschiedliche Akteure. Firmen wie Nestlé oder auch Minengesellschaften wollen weiterhin uneingeschränkten Wasserzugang und die Wasserquellen kontrollieren.» Sie hätten bei Verhandlungen ganz andere Druckmittel als die wenigen mitbeteiligten nichtstaatlichen Organisationen.

Tatsächlich ist die Macht der Konzerne nicht zu unterschätzen: Nestlé etwa beschäftigt laut eigenen Angaben in 86 Ländern 328 000 ArbeiterInnen und Angestellte in 418 Fabriken. Der Konzern bezieht Produkte von 160 000 ProduzentInnen und 600 000 BäuerInnen. Nestlé-Chef Paul Bulcke verfügt am Weltwirtschaftsforum über exklusiven Zugang zu Regierungschefs und Ministerinnen. So etwa traf er sich im vergangenen Januar in Davos mit dem brasilianischen Präsidenten Michel Temer. Der brasilianische Wasseraktivist Franklin Frederick vermutet, dass es dabei auch um den Zugang zu brasilianischen Wasservorkommen gegangen sei. In der brasilianischen Presse wird seit einiger Zeit darüber spekuliert, dass die Regierung versuche, Staatseinnahmen durch die Vergabe von Lizenzen an Konzerne wie Nestlé zu erhöhen.

Auch David Hall und Emanuele Lobina, die für das PSIRU, ein Forschungsinstitut des globalen Dachverbands der Gewerkschaften des öffentlichen Dienstes, arbeiten, kritisieren den Stakeholderansatz des WRG: Der materielle Konflikt um die Wasserressourcen müsse stattdessen mit demokratischen Mitteln gelöst werden. Die multinationalen Konzerne hätten die Initiative ergriffen, weil sie es verstünden, sich auf globaler Ebene gut zu organisieren. Sie würden eine Form von «ideologischer Hegemonie» ausüben.

Wieso zahlt die Deza?

Bei der Deza dagegen ist man vom Ansatz der WRG überzeugt. Seit 2012 unterstützt die Deza die Gruppe mit inzwischen bereits 5,3 Millionen Franken. Für die Jahre 2018 bis 2020 sind weitere 3 Millionen Franken vorgesehen. Selber bescheinigt man sich einen «wichtigen Einfluss» auf die WRG. Dass die Zivilgesellschaft nur ungenügend involviert ist, lässt sich allerdings nicht schönreden. Die Deza-Sprecherin verweist jedoch darauf, dass die neue Strategie der WRG gerade auf Druck der Deza «eine eigene Genderkomponente und eine noch stärkere Fokussierung auf die Geschlechtergleichheit und Einbindung entsprechender Organisationen» aufweise. So sollen mehr Frauen in den Multistakeholder-Plattformen präsent sein und auch Frauenorganisationen involviert werden.

Bei der Deza scheint man zu hoffen, dass sich mit neuen Absichtserklärungen auch die reale Politik der Konzerne ändert. Dieser Ansatz erinnert an das finanzielle Engagement der Deza beim Global Compact Network Switzerland (siehe WOZ Nr. 40/2017 ). Dieser Vereinigung von Privatfirmen, die ihr Sekretariat in den Räumen von Economiesuisse betreibt, zahlt die Deza jährlich 200 000 Franken, damit sie in der Privatwirtschaft Werbung für «nachhaltiges und soziales Wirtschaften» macht. KritikerInnen sprechen von staatlich finanzierter Imagepflege.

Die WRG ist nur eine Form, wie sich private Konzerne ins staatliche Wassermanagement einmischen. Die internationale Umweltorganisation Friends of the Earth warnt schon länger vor einem «zunehmenden Interesse» aus dem privaten Sektor, in der Wasserfrage Einfluss auf Uno-Organisationen zu nehmen. Ziel sei es, Wasser zu einem «profitablen Geschäft» zu machen, zu einer «handelbaren Ware» und zum Objekt von Finanzprodukten. Im Rahmen der Uno etwa sitzen multinationale Konzerne im Beratungsgremium des Generalsekretärs für Wasser und Hygiene.

Der Aktionsradius des WRG soll derweil schrittweise ausgeweitet werden, weitere Projektländer sollen dazukommen. Zentral dabei ist die Unterstützung der Weltbank, bei der die WRG auch künftig ihr Sekretariat angesiedelt hat, neu nicht mehr bei der Abteilung International Finance Corporation, sondern bei der Weltbankabteilung Water Global Practice. Dadurch erhält das WRG besseren Zugang zu den Wasserprojekten der Weltbank – und die Weltbank erhofft sich dadurch umgekehrt einen «verstärkten Dialog mit dem privaten Sektor». Auch erachtet es die Weltbank als nützlich, bei der Arbeit mit einzelnen Staaten und deren «Reformagenda» auf die WRG zählen zu können.

Was die Weltbank unter Reformen versteht, hat sie jüngst in einem Bericht unter dem Titel «Unerforschte Gewässer» vorgestellt: Darin fordert sie genau das, was der McKinsey-Bericht des WRG schon Jahre zuvor vorgeschlagen hatte: Wasser brauche einen Preis, und es sollten Wasserbörsen eingerichtet werden, um diesen Preis zu bestimmen. Unternehmen sollten das Recht bekommen, Wasser zu verkaufen oder zu vermieten. Das Wassermanagement in den einzelnen Staaten müsse sich grundlegend ändern. Es brauche klare ökonomische Signale. Ein «gut funktionierendes Handelssystem» sei «ein mächtiges ökonomisches Werkzeug, dessen Zeit gekommen ist, um darüber nachzudenken – wenn nicht sogar, es sofort einzuführen».

Möglich, dass man bei der Weltbank und der Water Resource Group nur noch auf das «Momentum» wartet. Dieses Momentum – eine sich verschärfende Wasserkrise – könnte schon bald da sein.

Weltwasserforum

Am 18. März beginnt in Brasilia das achte Weltwasserforum. Es ist die grösste Veranstaltung zum Thema Wasser, die VeranstalterInnen erwarten rund 45 000 BesucherInnen. Nestlé gehört zu den Hauptsponsoren. Die Water Resource Group wird am 22. März, dem internationalen Tag des Wassers, ihre Arbeit im sogenannten Swiss Pavillon des Forums vorstellen, der von der Deza finanziert wird.

Für die kanadische Umweltaktivistin Maude Barlow ist das Weltwasserforum «eine Handelsshow der Konzerne, die Lösungen für die Wasserkrise vorschlägt, die im Interesse der multinationalen Konzerne liegen». Diese Einschätzung wird auch von den OrganisatorInnen des Alternativen Wasserforums geteilt, das zeitgleich ebenfalls in Brasilia stattfindet. In einem Aufruf dazu heisst es: «Wasser ist ein Gemeingut und kann nicht von privaten Interessen kontrolliert werden. Es braucht soziale Kontrolle und demokratische Partizipation.» Gefordert wird eine «neue Wasserkultur», die mit ethischen, ökologischen und kulturellen Werten verbunden ist.

Nachtrag vom 19. April 2018 : Noch mehr Kritik an der Deza

27 Organisationen aus der Schweiz kritisieren in einem offenen Brief von vergangener Woche die staatliche Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (Deza), weil diese die Water Resources Group (WRG) mit Millionenbeiträgen unterstützt. Die WRG ist ein Zusammenschluss von privaten Konzernen wie Nestlé und Coca-Cola, staatlichen Organisationen und Entwicklungsbanken, der in den Ländern des Südens – so etwa in Peru, der Mongolei und Brasilien – sogenannte Stakeholderplattformen aufbaut. Auf diesen Plattformen werden Projekte in der Wasserbewirtschaftung initiiert. Die Deza zahlt mindestens bis 2020 pro Jahr eine Million Franken an den Betrieb der WRG. Die unterzeichnenden Organisationen des offenen Briefes, darunter der Schweizerische Gewerkschaftsbund, die SPS und die Grüne Partei, aber auch Public Eye, Terre des hommes Schweiz und Multiwatch, sehen in der WRG ein Instrument, «das einseitig den Interessen der Grosskonzerne dient». Organisationen wie Gewerkschaften oder BäuerInnenvereinigungen, die die lokale Bevölkerung repräsentierten, würden nicht einbezogen. Die WRG sei vielmehr «eine Plattform, die Grosskonzernen den Zugang zu Behördenvertreter*innen und Entwicklungsbanken erleichtert».

Für die unterzeichnenden Organisationen ist Wasser ein «öffentliches Gut», das «unter demokratische Kontrolle gehört». Öffentlich-private Partnerschaften wie jene der WRG stärkten die Positionen der Grosskonzerne und unterstützten «deren Privatisierungs- und Profitmaximierungsstrategien». Die Deza wird aufgefordert, in Zukunft auf solche Unterstützungen zu verzichten und stattdessen vermehrt Hilfe und Know-how in öffentlich-rechtlich geführte Wasserversorgungssysteme nach dem Modell der Schweiz fliessen zu lassen. Zudem soll das Deza «Massnahmen ergreifen, um die demokratische Kontrolle des Wassers als öffentliches Gut zu stärken». Gegen die Privatisierung von Wasser protestierten vergangene Woche auch AktivistInnen von Multiwatch in Lausanne anlässlich der Nestlé-Generalversammlung. Den AktionärInnen wurde rot gefärbtes Wasser ausgeteilt. Das «blutige Wasser» stehe symbolisch für die Tatsache, dass «Nestlé mit ihrer Privatisierungsstrategie den Menschen die Lebensgrundlage entzieht», schreibt Multiwatch.

Daniel Stern

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