Pop: Musikalische Häkeldecke

Nr. 13 –

«There’s a Riot Going On», das neue Album von Yo La Tengo, löst seinen Titel erst mal nicht ein – zwischen seinen Rillen gibt es weder Lärm noch Ausschreitungen. Der Titel ist vom gleichnamigen Album von Sly and the Family Stone von 1971 geklaut, auf dem diese mit geblümter US-Flagge und schwitzendem Funk zu Aufstand und Konfrontation aufriefen. Auf die Fährtenlegung angesprochen, flüchtet sich Sänger Ira Kaplan ins Gefühl: «Um so schnell wie möglich vor dieser Frage davonzulaufen: Ich glaube, vieles von dem, was wir tun, fühlt sich einfach richtig an und wird nicht ausgesprochen.»

Statt eindeutige politische Aussagen zu machen, zielen Yo La Tengo in die Gegenrichtung: meditative Kontemplation. Die fünfzehn Songs, deren Anzahl auf dem fünfzehnten Album der New Yorker Band wohl nicht zufällig ist, wirken wie eine musikalische Häkeldecke, ihre Texte wie darin eingestickte Assoziationen.

Gleich zu Beginn nimmt uns «You Are Here» mit meditativen Gitarren an der Hand. Der Fluss aus flächigen Synthies, verstrahlten Riffs und wohltemperiertem Schlagzeug nimmt erst beim vierten Song «For You Too» Fahrt auf. Die Gitarren werden autonomer, und der Sound zieht mehr in Richtung Rock – doch völlig frei von Mackertum. Kaplan singt mit leiser Melancholie – auf «Above the Sound» rumpelt er gar wie Tom Waits, während Gitarre, Schlagzeug und ein Bläser wie tollende Kinder ineinanderstolpern. Aus dem treibenden Klangreigen, dessen Stücke meist über fünf Minuten anhalten, fallen zwei kurze heraus: Sängerin Georgia Hubley feiert auf «Polynesia #1» mit einem hallenden Riff noch ihren Rückzug vor sozialen und anderen Formen von Kälte, der instrumentale Latin-Eiertanz «Esportes Casual» klingt dann eher wie Pausenmusik.

Es überrascht nicht, dass «There’s a Riot Going On» keine Agitprop ist. Doch in einem von Statusmeldungen, Kommentarspalten und Newstickern zersetzten Alltag kann die Versenkung in diese Musik selbst zur widerständigen Position werden. Oder eine Quelle von Ruhe und Kraft für die Kämpfe von morgen.

Yo La Tengo: There’s a Riot Going On. Matador Records. 2018