Besetzte Reitschule: Offen und ohne Geld

Nr. 14 –

Darf Kultur kosten, oder muss sie gratis sein? Das war eine der Hauptfragen, um die sich die Diskussion an der Vollversammlung in der Grossen Halle der Reitschule am Dienstag in Bern drehte.

Eingeladen hatte das Kollektiv «Die Wohlstandsverwahrlosten», das die Halle seit vergangener Woche besetzt hat. In einer Medienmitteilung hatte es kritisiert, dass die Grosse Halle nichts mehr mit dem Geist der früheren Besetzung gemein habe: Die Lohnarbeit werde über ideologische Beweggründe gestellt, die Eintrittspreise seien zu hoch, ausserdem stehe die Halle zu oft leer. Anders als die restliche Reitschule ist die Grosse Halle als Verein organisiert, in der Einzelpersonen, Kulturinstitutionen und die Stadt vertreten sind.

Rund 150 Interessierte, darunter sehr viele Junge, sassen in einem grossen Kreis auf Klappstühlen und auf dem Boden, in der Mitte standen drei Harasse Bier. In die Halle wurden ein Zelt mit Betten, eine Entsorgungsstation für Alu und Glas sowie andere Holzkonstruktionen eingebaut. Vier junge Kollektivmitglieder – eine Frau und drei Männer – leiteten die Vollversammlung, in der respektvoll miteinander diskutiert wurde. Man startete mit einer Befindlichkeitsrunde der Anwesenden: «Ich bin hier, um diesen Raum mit Kreativität zu füllen.» – «Der Ort soll niederschwellig sein, das heisst, man darf hier kein Geld verdienen, denn das schafft Abhängigkeiten.» – «Der Ort soll für alle offen sein.» – «Es könnte eine Art Jugendraum hier entstehen.» Kritische Rückfragen kamen vor allem von älteren ReitschülerInnen, die der Besetzung positiv gegenüberstehen, sich aber um die Sicherheit der BesucherInnen Sorgen machen: «Auf dem Vorplatz passiert jedes Wochenende abgefuckte Scheisse, wie wollt ihr auf Freiwilligenbasis Sicherheit gewährleisten?»

Anwesend war auch die neue Trägerschaft des Vereins Grosse Halle, die seit Tagen mit den BesetzerInnen im Gespräch ist. Mitte Februar hat sie ihre Arbeit aufgenommen und strebt im Grunde Ähnliches an wie die BesetzerInnen: Die Grosse Halle soll ein Kulturhaus mit sozialem Anspruch sein und wieder mehr geöffnet sein als bisher. Im Juni ist eine Veranstaltung geplant, für die die Veranstaltenden nur einen Franken Miete bezahlen – eigentlich ganz im Sinne der BesetzerInnen.

Ob die Veranstaltung stattfinden kann, ist unsicher. Einige der Anwesenden plädierten für einen Kompromiss mit der Trägerschaft, andere für einen radikalen Neustart. Sehr pragmatisch schliesslich war der vorgeschlagene dritte Weg: «Lasst es uns doch einfach mal probieren ganz ohne Geld. Wenn es nicht gut geht, kann die Trägerschaft ja wieder übernehmen.»