Efraín Ríos Montt (1926–2018): Mit der Bibel und dem Gewehr

Nr. 14 –

Der Tod rettete den ehemaligen Militärdiktator Guatemalas vor einer Strafe für einen Völkermord an den Maya.

Efraín Ríos Montt. Foto: Hiroko Tanaka, Alamy

Er war der grausamste aller lateinamerikanischen Militärdiktatoren. In seiner gut sechzehn Monate dauernden Gewaltherrschaft wurden 1982/83 weit über 100 000 Menschen getötet, mehr als 300 Massaker an der Zivilbevölkerung verübt, 448 Mayadörfer dem Erdboden gleichgemacht und damit ein Völkermord begangen. Das hatte schon eine von der Uno eingesetzte Wahrheitskommission 1999 festgestellt, ein guatemaltekisches Gericht hat ihn deshalb 2013 zu achtzig Jahren Haft verurteilt. Er musste seine Strafe nie antreten. Am Ostersonntag ist Efraín Ríos Montt im Alter von 91 Jahren an Herzversagen gestorben.

Ríos Montt war der bizarrste Gewaltherrscher der achtziger Jahre. Als junger Offizier war er 1954 an dem vom US-Geheimdienst CIA organisierten Putsch gegen Guatemalas sozialdemokratische Reformregierung unter Jacobo Árbenz beteiligt. Später wurde er in den US-Ausbildungslagern der Kanalzone Panamas zum antikommunistischen Heisssporn geformt. Trotzdem trat er bei der Präsidentschaftswahl 1974 als Kandidat einer oppositionellen Mitte-links-Koalition an und verlor – mutmasslich durch einen Wahlbetrug. Er wurde danach als Militärattaché nach Spanien abgeschoben, wo er dem Alkohol verfiel und sich, um davon loszukommen, an evangelikale Heilslehren klammerte. Später wurde er zum Prediger einer US-Pfingstkirche ausgebildet.

Das Meer trockenlegen

Als er am 23. März 1982 gegen die damaligen Militärherrscher putschte, war er davon überzeugt, dass «ein wahrer Christ in der einen Hand die Bibel, in der anderen ein Gewehr» zu halten habe. Jeden Sonntag hielt er der Bevölkerung im Fernsehen Moralpredigten, während seine Armee im Hinterland mordete. Von Mao Zedong hatte er gelernt, dass sich «ein Revolutionär im Volk bewegt wie ein Fisch im Wasser». Ríos Montt schloss daraus: «Wenn wir den Fisch nicht fangen können, müssen wir das Meer trockenlegen.»

Die Armee ging bei der Aufstandsbekämpfung gegen eine kleine Guerilla nicht nur mit Flächenbombardements, Vertreibung und Massakern gegen Maya-Ethnien vor. Frauen wurden systematisch vergewaltigt, Schwangeren die Föten aus dem Leib geschnitten und zerstückelt. Die Wahrheitskommission und später das Gericht schlossen daraus, dass es Ríos Montt um die Vernichtung der Maya ging. Die USA hatten dieses Vorgehen mit Beratern und Militärhilfe unterstützt, der damalige US-Präsident Ronald Reagan hielt Ríos Montt für einen «Mann von grosser persönlicher Integrität». Am 8. August 1983 wurde er bei einem weiteren Putsch von rivalisierenden Generälen abgesetzt.

Nach der formalen Rückkehr Guatemalas zur Demokratie startete Ríos Montt eine zweite Karriere. Er gründete die rechtspopulistische Republikanische Front Guatemalas, war zwei Mal deren Präsidentschaftskandidat, zwei Jahre Parlamentspräsident und bis Januar 2012 Parlamentsabgeordneter mit strafrechtlicher Immunität. Kaum hatte er dieses Amt aufgegeben, wurde das Verfahren wegen Völkermord und Verbrechen gegen die Menschlichkeit gegen ihn eröffnet. Am 10. Mai 2013 wurde er verurteilt.

Das Vorbild Pinochet

Das Urteil schrieb Rechtsgeschichte: Zum ersten Mal wurde ein Diktator in seinem eigenen Land von einem heimischen Gericht wegen Völkermord verurteilt. Es hielt gerade zehn Tage. Dann wurde es von den überwiegend rechten Richtern des Verfassungsgerichts wegen eines unbedeutenden Formfehlers in einer knappen Entscheidung aufgehoben, und es wurde ein neues Verfahren angeordnet.

Die Strategie seiner Verteidigung folgte der des ehemaligen chilenischen Diktators Augusto Pinochet: verzögern bis zum erlösenden Tod. Zunächst stritt Ríos Montt – wie Pinochet – alles ab und behauptete, er habe von nichts gewusst. Dann liess er sich – wie der Chilene – 2015 von seinen Ärzten für dement erklären, unfähig, einem Prozess zu folgen. Trotzdem wurde im Oktober 2017 das Verfahren gegen ihn wiederaufgenommen, in seiner Abwesenheit und hinter verschlossenen Türen. Es wird nun eingestellt werden.

Seinen Opfern bleibt nur eine Genugtuung: Er wurde verurteilt, wegen Völkermord, im eigenen Land. Diese rechtliche Bewertung der Tatsachen wurde bei der Aufhebung des Urteils nicht angezweifelt.