Das Bündner Baukartell: Vielleicht bleibt kein Stein auf dem anderen

Nr. 18 –

Der Baukartell-Skandal in Graubünden könnte die politischen Kräfteverhältnisse nachhaltig beeinflussen. Unverständnis und Empörung in der Bevölkerung sind gross.

Bald alles neu im Bündnerland? Die politischen Folgen des Baukartell-Skandals sind noch nicht abzusehen. Im Bild: Baustelle im Engadin. Foto: Ursula Häne

Am Freitag gab BDP-Regierungsratskandidat Andreas Felix dem öffentlichen Druck nach. Er verzichtete auf eine Kandidatur und trat als Präsident der Kantonalpartei zurück. Die BDP schien ihren zweiten Sitz im Regierungsrat damit kampflos aufzugeben. Bis am Montag in der «Südostschweiz» das Dementi folgte: Die BDP Graubünden prüfe eine Ersatzkandidatur. Bereits am Montagnachmittag folgte erneut eine Kehrtwende: Es bleibt nun doch bei der Einzelkandidatur.

Dieser kommunikationstechnische Slalomlauf zeigt, wie sehr die Folgen des Skandals und die veröffentlichten Untersuchungen der Wettbewerbskommission (Weko) die BDP Graubünden in die Enge treiben. Panisch blickt die Partei auf die kantonalen Wahlen am 10. Juni. Der Verlust von einem der bisher zwei Regierungssitze ist schon mal besiegelt. Spannend bleibt aber die Frage, wer von der Krise der BDP profitiert.

Worst Case für die BDP?

Sechs KandidatInnen kämpfen um den Einzug in die Bündner Regierung. In zwei von drei möglichen Szenarien gewinnt entweder die SVP oder die CVP einen Sitz. Für die SVP würde dies die Rückkehr in die Bündner Regierung bedeuten. Im dritten Szenario verliert die BDP auch noch ihren zweiten Sitz, CVP und SVP wären neu mit zwei respektive einem Sitz in der Regierung vertreten. Für die BDP wäre es ein Debakel – in keinem anderen Kanton war sie bisher so erfolgreich verankert. Ganz undenkbar ist es dennoch nicht. Denn auch beim anderen BDP-Regierungsratskandidaten Jon Domenic steht gemäss dem Onlinemagazin «Republik» der Vorwurf im Raum, er sei über die Preisabsprachen informiert gewesen und dennoch untätig geblieben. Der mögliche Verlust von gleich beiden Regierungsratssitzen wäre das Worst-Case-Szenario für die BDP in ihren Stammlanden Graubünden und könnte sie auch schweizweit noch tiefer in eine Existenzkrise stürzen.

Welches dieser Szenarien eintreffen wird, lässt sich kaum vorhersagen. Laut SP-Grossrat Jon Pult ist derzeit schwer abzuschätzen, wie sich die Enthüllungen langfristig auf die Bündner Politik auswirken. Dies hänge stark davon ab, was die weiteren Untersuchungen zutage fördern. Bei der politischen Aufarbeitung steht man ganz am Anfang. Bis zum Wahltermin am 10. Juni kann noch viel geschehen.

Auch der Präsident der Bündner SP, Philipp Wilhelm, betont: «Momentan ist unklar, wer alles über die Preisabsprachen informiert oder gar darin involviert gewesen ist. Eine lückenlose Aufdeckung der Vorgänge ist dringend notwendig.» Wilhelm fordert daher auch die Einsetzung einer Parlamentarischen Untersuchungskommission (PUK).

Dass die SP bei den Grossratswahlen vom Skandal profitiert, ist gut möglich. Laut Jon Pult sei die SP immerhin die einzige Partei, die in diese Geschichte nicht involviert sei und schon vor dem Weko-Urteil eine Aufarbeitung und Konsequenzen gefordert hatte. Denn auch der SVP-Regierungsratskandidat und Polizeikommandant Walter Schlegel wird sich aufgrund des fragwürdigen Vorgehens der Bündner Kantonspolizei noch einigen unangenehmen Fragen stellen müssen.

Unabhängig von den Entwicklungen bei den kommenden Wahlen werden die Enthüllungen den Kanton nachhaltig prägen. «Die Empörung ist sehr gross», sagt Jon Pult. Er spüre mittlerweile in Teilen der Bevölkerung eine Anti-Establishment-Stimmung. Das Vertrauen in die bisherigen politischen Entscheidungsträger sei stark zurückgegangen. «Das Ausmass und die Systematik dieser Affäre hat alle erschüttert», glaubt Pult. Hinzu kommt die Behandlung des Whistleblowers Adam Quadroni. Jahrelang hat man die von ihm dargestellten Vorgänge vom Tisch gewischt, stattdessen hat man Quadroni ignoriert und ist aktiv gegen ihn vorgegangen. Dieser Umgang mit einem Whistleblower, der bloss versuchte, die Wahrheit ans Licht zu bringen, sei für grosse Teile der Bevölkerung unverständlich, sagt Pult.

Weitere Untersuchungen ausstehend

Die letzte Woche von der Weko verhängten Bussen in der Höhe von 7,5 Millionen Franken sind noch nicht das Ende. Von den insgesamt zehn Untersuchungen, welche die Weko führt, sind zwei noch ausstehend. Diese Ergebnisse werden auf Ende Sommer oder Herbst 2018 erwartet. Eine der zwei ausstehenden Untersuchungen könnte weiteren explosiven Stoff bergen, sie betrifft den Strassenbau im gesamten Kanton Graubünden.

Vorerst kehrt in der Bündner Baubranche also keine Ruhe ein. Dabei haben die Unternehmen ohnehin mit genügend Schwierigkeiten zu kämpfen. Der starke Franken und die Folgen der Zweitwohnungsinitiative haben der Branche zugesetzt. Zu stark ist man abhängig vom Tourismus. Das hat sich zuletzt am Montag gezeigt: Das Bauunternehmen Andrea Pitsch AG musste Konkurs anmelden, als Ursache wird der ruinöse Preiskampf angegeben. Rund 200 Stellen gehen verloren. Die Andrea Pitsch AG war nicht Teil des Bündner Baukartells.